theorie und technik
: Schmitt macht mit: Wie beim Thema Krieg ein alter Bekannter wieder zum Stichwortgeber wird

Wer nicht für mich ist, ist gegen mich

Die Theorie hat es derzeit schwer. Wenn die Praktiker des Krieges das Kommando übernehmen, zählen nur noch Geländegewinne, keine gedanklichen Fluchtwege mehr. Das Wahrnehmungsmanagement besorgen dann professionelle PR-Berater. Die Strategie der Theorie, darüber nachzusinnen, was wäre, wenn alles ganz anders und vor allem unter ganz anderen Prämissen verliefe, läuft plötzlich ins Leere. Zu klar scheinen nun die vorgelegten Optionen, zu müßig die Frage danach, wie eine einmal in Gang gesetzte Maschinerie doch noch zum Stoppen gebracht werden könnte. Der Krieg in seinem Element sagt schlicht: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Das nennt die Theorie dann Dezisionismus.

Sobald ein Krieg für unausweichlich gehalten wird, schlägt nicht nur die Stunde von Peter Scholl-Latour, sondern auch die seiner philosophischen Bannerträger. Einst verfemt als Apologeten der Gewalt, streifen sie sich lässig das Korsett ethischer Bedenken ab und verkünden selbstbewusst: Seht her, habe ich es euch nicht gesagt? Und so nimmt es nicht wunder, dass ausgerechnet Carl Schmitt wieder zum wichtigsten Stichwortgeber eines Diskurses avanciert, der das Politische mit der Entscheidung zwischen Freund und Feind gleichsetzt. In seiner überaus lohnenswerten Aufsatzsammlung „Über den Krieg“ erinnert Herfried Münkler allerdings daran, dass Schmitt die moralische Entwertung eines Kriegsgegners streng verurteilte. Im Falle einer „absoluten Feindschaft“ sah er die wichtigste Spielregel des Krieges verletzt, die dem „iustus hostis“ eine eigene Würde und Position auf Augenhöhe zugesteht. Für einen Präventivschlag gegen eine „Achse des Bösen“ hätte Schmitt demnach nicht viel übrig gehabt.

Gleichwohl darf er als Prophet der Pax americana gelten, weil er die unbegrenzten „neuen Kriege“ mit ihren Strafexpeditionen gegen aufmüpfige Vasallen und global insurgents sehr genau vorhersah. William Rasch verweist im Band „Terror im System“ auf Schmitts Bewunderung für die „erstaunliche Leistung“ der USA, ihr nationales Interesse als universelle Menschenrechtspolitik auszugeben. Systemtheoretisch gewendet besteht für Rasch die Hegemonie der Supermacht darin, die Leitdifferenz von innen/außen „zu einer moralisch und rechtlich bestimmten Unterscheidung zwischen annehmbar/unannehmbar“ umzugestalten. Doch damit ist noch gar nichts entschieden, zumal auch die neuen Barbaren eine höhere Moral und sogar das Völkerrecht für sich beanspruchen.

Derlei Gedöns findet deshalb auch keine Erwähnung in den geopolitischen Planungen von Condoleezza Rice, die Schmitts Großraumtheorie ein zeitgemäßes Design verpassen. Eher schon dort, wo darauf hingewiesen wird, dass weder die Theoretiker des Krieges noch die Friedensbewegung daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen hätten. So bemerkte Rudolf Maresch jüngst im Online-Magazin „telepolis“: „Wieder mal scheint Carl Schmitt am Ende recht zu behalten. Gerade in der Orientierung am ‚ewigen Frieden‘, den sowohl das neue Rom wie die internationale Gemeinschaft anstrebt, entdeckt er eher die Entfesselung des Krieges als dessen Einhegung und Eingrenzung. Auch das sei allen Gutmenschen und Überzeugungstätern nochmals ins Stammbuch geschrieben.“

JAN ENGELMANN

Dirk Baecker, Peter Krieg, Fritz B. Simon (Hg.): „Terror im System. Der 11. September 2001 und die Folgen“. Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg 2002, 241 S., 24, 90 €ĽHerfried Münkler: „Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion“. Velbrück, Weilerswist 2002, 293 S., 29 €