Alles kalter Kaffee

Die größte jemals in der Hauptstadt geschaltete Outdoorkampagne: Für „K-Fee macht wach“ durfte der ehemalige Pornostar Michaela Schaffrath noch mal seine üppige Oberweite in Anschlag bringen

von DETLEF KUHLBRODT

Zwei Jahre lang war Michaela Schaffrath unter dem Namen Gina Wild als Pornostar bekannt. Dann zog sie sich aus dem Geschäft zurück, tingelte eine Weile als Expornostar durch die Talkshows, wechselte zur Schauspielerei und wirbt nun auf 1.400 Großflächenplakaten, Mega-Lights und Videoboards in Berlin für kalten Kaffee – für das Dosengetränk K-Fee. „Die größte jemals in der Hauptstadt geschaltete Outdoorkampagne“, so die Zeitschrift Media & Marketing, wurde anlässlich der Einführung der Dosen in den Einzelhandel angeleiert und Michaela Schaffrath zeigt sich offensiv nackt. Die 33-Jährige guckt herausfordernd und drückt mit beiden Händen auf ihre großen Brüste, damit die Dose, die sie dazwischen eingeklemmt hat, nicht runterfällt.

An diesem Bild mit dem Slogan „K-Fee macht wach“ fährt man tagtäglich vorbei, fand es zunächst sexistisch, hatte dann aber wieder keine Argumente, wieso es so sexistisch sein sollte. Ein Kollege meinte, das Plakat entspreche ikonografisch einem so genannten Cumshotbild. Die beworbene Getränkedose sei als Penis zu verstehen, das Getränk im Grunde genommen Sperma und das Bild deute darauf, dass Michaela Schaffrath ihre Pornozeit wohl doch noch nicht überwunden habe. Diese Interpretation liegt nahe, auch wenn es mir eher so vorkommt, als solle das pornografische Element eher für selbstbewusste, popkompatible Modernität stehen.

Dass das Bild von Michaela Schaffrath noch den Pornostar Gina Wild enthält, ist beabsichtigt und Teil des postideologisch, selbstbewusst neoliberalen Images, das die Frau mit den Brüsten verkörpern soll. In dieses Bild würde so etwas Christliches wie Abkehr, Umkehr, raus aus dem Schmuddelgeschäft, rein ins Seriöse nicht passen. Im Gegenteil. Dass sie mal Pornostar war, macht gerade ihren Werbewert aus. Wer sich erfolgreich im Pornogeschäft durchgebissen hat, hat damit seine Erfolgstauglichkeit und Durchsetzungsfähigkeit bewiesen. Deshalb ist der Wechsel von der Pornografie ins Schauspieler- und Modellgeschäft kein Wechsel vom Unseriösen ins Seriöse, vom armen Objekt zum selbstbewussten Subjekt, kein Aufstieg; sondern es ist ein Wechsel vom einen zum anderen erfolgreichen Lebensmodell.

Auf der Homepage von Michaela Schaffrath heißt es: „In diesen zwei Jahren [der Pornokarriere] habe ich sehr viele aufregende und erregende Erlebnisse gehabt, tolle Menschen kennen gelernt und vor allem eine Menge Spaß gehabt.“ Der „Mut“, im Pornogeschäft tätig zu sein, sei „fürstlich“ belohnt worden. „Als Gina Wild hatte ich mittlerweile alles erreicht, was ich mir als Ziel gesetzt hatte.“ Dann – „nachdem ich von Regisseuren wie Marcus O. Rosenmüller und Wim Wenders inspiriert wurde, mir Gedanken zu machen, mein Talent für die Schauspielerei weiter auszubauen“ – entschloss sie sich zu einem „Imagewechsel“.

Der war erfolgreich, wie ein Klick auf die Liste der Filme, in denen sie mitwirkte, zeigen möchte: Sie war bei einem von Wim Wenders gedrehten Tote-Hosen-Video dabei, beim „Anti-BSE-Spot für TV und Kino“, sie hatte Gastauftritte bei „Nick Knatterton“, „Tatort“ usw. Michaela Schaffrath will also eine dieser modernen Ich-AGs ohne Scheuklappen verkörpern.

Was in ihrem Fall die Pornografie ist, das ist bei K-Fee, dem Getränk, die Droge. Während die traditionelle Kaffeewerbung mit Geschmack und Gemütlichkeit wirbt (magenschonend!), wird K-Fee als moderne Aufputschdroge angepriesen – wie die Energydrinks, die im Zuge der ersten Ecstasy-Welle auf den Markt geworfen wurden: „Kaffee als Traditionsgetränk ist bieder und bitter. K-fee ist hip und lecker! […] Insbesondere Studenten, video gamblers, Endlossurfer und andere vom Schlaf vernachlässigte Zeitgenossen finden hier den natürlichen Wachmacher Koffein in leckerer, trinkfertiger Form. Wer den Kick noch unkomplizierter braucht, kann sich den K-fee turbo gum reinziehen.“

„Der Kaugummi mit Koffein […] und Guarana-Pulver“ ist „Nichts für schwache Nerven!“, „sorgt für den ultimatven Kick“, ist gut zum Weiterfeiern wie Kokain oder Speed, wirkt „antidepressiv auf die Psyche“ wie Ecstasy. Dass „die Sportler unter uns“ „nicht mehr als 5 Dosen K-fee Coffee Drink trinken“ dürfen, weil das sonst garantiert „unter die Kategorie Doping“ fallen würde, spielt ironisch mit einer möglichen Illegalität als Lockmittel. Außerdem wurde K-Fee bislang vor allem übers Internet vertrieben, wie diverse noch nicht illegalisierte Drogen. Und dass die zwei Gründer der Berliner K-Fee-Firma „zwei Freaks“ sind, „die für Freaks ein paar freakige Produkte produzieren“, erinnert an die Anfänge der Drogensubkultur vor mehr als 30 Jahren, als eben Freaks für Freaks ein paar freakige Produkte aus Asien herüberzuschmuggeln begannen.

Für eine augenzwinkernde Integration von pornografischen und Drogenimages spricht, dass K-Fee in der Mitte der Gesellschaft wirbt. Mit Michael Schumacher, Mehmet Scholl und Sven Hannawald – als Sponsor der Love Parade, der Vierschanzentournee, des „Berliner Presseballs 2003“ etwa. K-Fee sei „Kult“, heißt es bei K-Fee.de; das Poster von Michaela Schaffrath, die die Produkte ihrer vergangenen Karriere weiterhin unter ihrer zweiten Homepage Gina-wild.de vertreibt, ist auch „Kult“. Demnächst sollen die Plakate in München, Frankfurt, Hamburg und Köln zu sehen sein.

Interessant sind die Querverbindungen, die sich im Internet ergeben. Wer Michaela Schaffrath in eine Suchmaschine eingibt, landet bei Seiten wie pornotreff.at, die davon berichten, dass der Mann und Manager des vor drei Jahren verstorbenen Pornostars Lolo Ferrari grad wegen Verdacht des Mordes an seiner Frau verhaftet wurde. Gibt man Gina Wild ein, landet man bei Seiten für Autobastler (Fahrwerke.de). Die Auto- und die Pornoindustrie scheinen zu den wenigen deutschen Industrien zu gehören, die noch irgendwie funktionieren.