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Archiv-Artikel

Uni in der Tonne

Uni-Präsident Lüthje zu Dohnanyi: Kürzung der Geisteswissenschaften kurzsichtig. Bachelor-Master-System nur in Absprache mit anderen Städten

Lüthje: Wir sollten Indologen nicht nur für Hamburg ausbilden

von KAIJA KUTTER

Vor rund 300 Studierenden im Phil-Turm stellte sich Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) gestern der Debatte über das Dohnanyi-Gutachten und argumentierte defensiv. Die Kommission habe die „historisch gewachsene Struktur“ der Fächer einem „analytisch hergeleiteten Bedarf“ gegenübergestellt: „Solche Rechnungen können Fehler enthalten. Aber es ist besser zu rechnen, als es gar nicht zu tun.“

„Es muss sich etwas ändern. Der Hochschuletat wurde um 15 Prozent gesenkt bei gleicher Studierendenzahl“, pflichtete ihm Uni-Präsident Jürgen Lüthje bei, der gegen den geplanten Abbau von Studienanfängerplätzen nichts einzuwenden hat: „Das ist unsere Forderung.“

Widerspruch äußerte Lüthje im taz-Gespräch zu drei anderen Dohnanyi-Empfehlungen. Richtigen Streit gibt es nun offenbar mit HWP-Präsidentin Dorothee Bittscheidt. So will Lüthje nur einem Zusammengehen mit der HWP „unter dem Dach der Universität“ zustimmen, nicht aber der Gründung einer gemeinsamen eigenständigen „Hochschule für Wirtschaft und Politik“.

Auch in der Frage der gestuften Bachelor-Master-Abschlüsse erhebt Lüthje Einspruch. Dohnanyi will ein „konsekutives“ System, in dem nur die Hälfte den Master-Abschluss machen dürfte. „Ich halte es nicht für bewiesen, dass diese Struktur in jedem Fall sinnvoller ist“, sagt Lüthje. Hamburg dürfe hier „keinen Sonderweg“ gehen. Deshalb wolle er in der „Hochschulrektorenkonferenz“ klären, auf welche Grundsätze sich die Universitäten bundesweit einigen und sich dabei für das „integrierte“ Modell einsetzen, das die Fortsetzung zum Master-Studium offen lässt. Das Bachelor-Master-System nutzten bislang „zwei bis drei Prozent der Studierenden“. Große Universitäten wären damit „sehr zurückhaltend“.

Starke Kritik äußert der Uni-Chef auch an der angekündigten Halbierung der geisteswissenschaftlichen Fächer: „Wir können noch nicht nachvollziehen, welche Berechnungen zu dieser Aussage führen“, sagt Lüthje. Die Vielfalt der Sprachen und Kulturen der Universität stellten einen „positiven Entwicklungsfaktor“ für die Stadt dar, den zu beschneiden „kurzsichtig“ sei. Hamburg brauche zum Beispiel als Medienzentrum Deutschlands nicht nur Techniker und Ingenieure, sondern auch Menschen, die „Inhalte“ vermitteln. Auch dürfe eine Uni sich nicht nur am Arbeitskräftebedarf einer Stadt ausrichten. So seien die Absolventen der Hamburger „Indologie“, die zu den besten Europas zähle, international gefragt.

Die Halbierung der Geisteswissenschaften hatte bereits am Montagabend beim „Wissenschaftsforum“ des Abendblatts im Springer-Hochhaus zu erbitterten Disputen geführt. So monierte der Historiker Hans-Werner Goetz, dass die zur Fusion vorgeschlagenen Fachbereiche Theologie, Sprachwissenschaft, Geschichte, Kulturwissenschaft zusammen nur ein einziges Gespräch mit Dohnanyi hatten.

„Die Theologie ist ein in sich geschlossenes System. Wenn sie diese Fächerkultur nicht ernstnehmen, heißt das, dass Sie die wissenschaftliche Theologie abschaffen“, kritisierte eine Theologin. Und der Dekan der Sozialwissenschaften, Michael Greven, erinnerte daran, dass es derzeit mehr arbeitslose Ingenieure gebe als Soziologen: „Es gibt keine Analyse, die besagt, dass der Bedarf an Sozialwissenschaftlern abnimmt.“ Die Uni werde so behandelt wie eine Fachhochschule, sei aber auch für Wissenschaft und Forschung da. Greven: „Bei allem Respekt vor der HWP. Dies als einziges Modell für universitäre Studiengänge zu nehmen, die ganz andere Aufgaben haben, ist unverschämt“. Greven sprach von einer „Tonnenideologie“, die der Uni übergestülpt werde: „Da geht es nur darum, wer in kürzester Zeit mit der billigsten Methode die meisten Absolventen produziert.“

Der HWP-Asta hatte bei Springer übrigens Hausverbot. Er hatte bei der Vorstellung des Dohnanyi-Berichts in der Vorwoche kalte Fische ausgekippt.