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Archiv-Artikel

Das Spenden-Luder

Jürgen W. Möllemann enthüllt seine Geldgeber und Hinterleute

Selbst Behauptungen wie „Ich war Bin Ladens Sex-Sklave“ gerieten in Umlauf

Dass er im Extremfall „schonungslos über alles und jeden reden“ würde, hatte Jürgen W. Möllemann der FDP-Spitze mehrfach angedroht. Auch dass er trotz gravierender gesundheitlicher Probleme an Herz, Speiseröhre und Kopf an einem Enthüllungsbuch namens „Klartext“ arbeite, posaunte der erratische Hobby-Haider bei jeder Gelegenheit aus. Jetzt steht der FDP Ärger ins Haus.

Vor dem Hintergrund des gegen ihn eingeleiteten Parteiausschlussverfahrens ließ Jürgen Möllemann gestern erste Exemplare des 264 Seiten starken Buches an ausgewählte Journalisten verteilen. Und in der Tat: Die darin enthaltenen Vorwürfe dürften nicht nur für die Bundes-FDP, sondern auch für die Hessen-CDU mehr als kompromittierend sein. Sollte sich auch nur ein Teil der in „Klartext“ aufgeführten Anschuldigungen als wahr erweisen, wird es die momentane Führung beider Parteien binnen Monatsfrist nicht mehr geben.

Denn: Mit „Klartext“ beginnt nicht nur die Aufdeckung etlicher FDP-Affären, sondern auch die ruchlose Nennung der Geldgeber des antisemitischen Flugblatts vom September des vergangenen Jahres.

Mehrfach hatte Möllemann sich diesbezüglich widersprochen. Demgemäß schrullig waren die Gerüchte. Selbst Behauptungen wie „Ich war Bin Ladens Sex-Sklave“ (Helmut Kohl) gerieten in Umlauf. Völlig verwirrt hatte sich Möllemann zuletzt selbst angezeigt. In „Klartext“ scheint sich dieses Verwirrspiel endlich zu ordnen: Hessens Ministerpräsident Roland Koch wird von Möllemann zweifelsfrei als Geldgeber und Hintermann der Flugblattaktion benannt.

Beide besichtigten Ende 1999 eine parteieigene Giftgasfabrik in Saudi-Arabien, die Möllemanns Firma Web/Tech dorthin vermittelt hatte: „Roland Koch bekam Anrufe aus Liechtenstein, ständig tauchten neue Konten auf. Die Schwarzgeld-Lawine schien endlos. Er hielt das nicht mehr aus, wollte alles zugeben und zurücktreten. Damit wäre auch die ihn stützende Hessen-FDP am Ende gewesen. Also habe ich angeboten, mich darum zu kümmern, und leitete die Gelder zur NRW-FDP um.“ Obwohl Koch zunächst erleichtert war („brutalst mögliche Aufklärung“), begann der hessische Brutalinski sukzessiv Forderungen an Möllemann zu stellen, die vor der Bundestagswahl 2002 in antisemitischen Äußerungen Möllemanns und schließlich im berüchtigten Flugblatt gipfelten: „Koch hatte mich in der Hand und drohte, mich auffliegen zu lassen, wenn ich nicht spurte. Wer hätte mir denn geglaubt? Es war zu spät: Ich war bereits Roland Kochs Spenden-Luder.“

Ab Seite 153 rechnet Möllemann dann auch mit der Bundes-FDP ab. Und als ob die zwischenzeitlich erhobenen Vorwürfe wie Sodomie und Tennis (Sandplatz) nicht ausreichten, stehen dort Namen wie Cornelia Pieper, Ruth Wagner und Günter Rexrodt in einer Reihe mit denen von Wolfgang Gerhardt und Guido Westerwelle (DVU). Selbst vor der Diskreditierung der Ehrenvorsitzenden Scheel, Genscher und Mussolini macht Möllemann nicht Halt.

Durch „Klartext“ erklärt sich also, warum die FDP am braunen Tellerrand des Parteienspektrums zu ersticken drohte. Auch die Herkunft der Spenden, die der nordrhein-westfälische Landesverband 1999 und 2000 verbuchte, wird transparent. Völlig unverständlich bleibt jedoch der von J. W. Möllemann gewählte Enthüllungszeitpunkt. Hatte er seiner Partei nicht erst kürzlich zugesichert, alles zu unterlassen, was der FDP schaden könnte? Möglicherweise gehörte das zur Verkaufsstrategie. Denn nach „Klartext“ erscheint ein FDP-Parteiausschluss ohnehin nicht als Makel, sondern als Weihe. ANDRÉ PARIS