: Wortführer im neuen Europa werden als Ziel
Heute reisen der polnische Regierungschef und sein Verteidigungsminister zu Gesprächen nach Washington
WARSCHAU taz ■ So enge Kontakte hat es zwischen Polen und den USA noch nie gegeben. Allein im letzten halben Jahr war Präsident Aleksander Kwasniewski zwei Mal im Weißen Haus bei Präsident George W. Bush. Vor zwei Wochen führte der Außenminister Polens Gespräche in den USA. Heute treffen Polens Premier Leszek Miller und Verteidigungsminister Jerzy Szmajdzinski zu einem dreitägigen Besuch in Washington ein. Erst kürzlich hat Bush den Polen versichert, dass sie „der beste Freund Amerikas in Europa“ sind.
Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen Polen und den USA traditionell gut. Denn anders als die europäischen Nachbarn, allen voran Deutschland und Russland, die Polen in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach überfielen, aufteilten und seiner Souveränität beraubten, haben die USA Polen niemals den Krieg erklärt. In den Jahren des Kommunismus fanden zahlreiche polnische Emigranten, darunter der spätere Literaturnobelpreisträger Czeslaw Milosz, in den USA eine neue Heimat. Viele Polen erinnern auch dankbar, dass die USA über viele Jahre hinweg Radio Freies Europa finanzierten, die Freiheitsbewegung Solidarność unterstützten und später Polen ins Nordatlantische Verteidigungsbündnis holten.
Eine „Wertegemeinschaft“ besteht für die meisten Polen daher auch nur in der Nato – gemeinsam mit den Amerikanern. Die EU ist für sie nur ein „Interessenverband“, zu dessen Beitritt es „keine Alternative“ gibt. Die starke USA-Bindung der Polen zeigt sich auch in der seit Jahren ungebrochenen Spitzenposition der Amerikaner, wenn nach den beliebtesten Nationen gefragt wird.
So ist es auch kein Wunder, dass Polen die Irak-Erklärung der acht europäischen Staats- und Regierungschefs unterschrieben hat, in der zur „Einheit“ Europas mit den USA aufgerufen wird. Polen versteht sich nicht nur als ein Teil des vom US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld prophezeiten „neuen Europas“, das anders als das „alte Europa“ an der Seite Amerikas steht. Polen will in diesem „neuen Europa“ die Rolle des Wortführers übernehmen. Dies zeigt nicht nur der Kauf von 48 F-16-Jagdbombern des texanischen Herstellers Lockheed Martin, mit denen die polnische Luftwaffe zu einem ernsthaften Faktor an der nordöstlichen Nato-Flanke aufsteigt, sondern auch der Vorstoß Polens in Brüssel, schon heute über eine weitere EU-Osterweiterung nachzudenken.
Bislang sind es in erster Linie die USA, die den Prozess der Demokratisierung in Weißrussland, Russland, Moldawien und der Ukraine unterstützen. Polens Regierungschef Miller und Verteidigungsminister Szmajdzinski werden in Washington nicht nur über Details des Rüstungs- und Kompensationsgeschäftes sprechen, sondern auch über Polens künftige Rolle in der EU, die Beteiligung Polens an einem möglichen Irakkrieg sowie die Senkung der amerikanischen Visagebühren für Polen.GABRIELE LESSER