Wettlauf um Gesundheitsreform

CDU lässt ihrer Kommission mehr Zeit zum Arbeiten als die Regierung ihrem Rürup. CDU-Kommissionschef Herzog will Privatisierung nur „innerhalb enger Grenzen“

BERLIN taz ■ Die SPD sieht sich seit den verlorenen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen gezwungen, alles auf einmal und schneller als die CDU zu machen. Vor allem bei der Gesundheitsreform. Die Kostensenkung im Gesundheitswesen sei jetzt „das Wichtigste“, um die Lohnnebenkosten zu drücken, sagte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz gestern in Berlin.

Scholz kündigte an, dass die bisherige Zweiteilung der Reformpläne – erst die Ausgaben-, dann die Einnahmenseite zu erledigen – aufgegeben werde. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt soll ihre längst erwarteten „Eckpunkte“ erst vorstellen, wenn auch die Rürup-Kommission ihre Vorschläge zu den langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten ausgearbeitet hat. Beides soll dann schon im März oder April der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Erste Forderung erfüllt

Indem die SPD nun alle Pläne in ein Paket packt, erfüllt sie die erste Forderung, die die Union in den vergangenen Tagen erhoben hat: eine Reform „aus einer Hand“ zu erarbeiten.

Die Union selbst hat derweil beschlossen, ihre Arbeiten zur Sanierung der Sozialsysteme erst einmal zu entzerren. Langfristige Pläne zur Finanzierung der Sozialsysteme soll von März an eine Kommission namens „Soziale Sicherheit“ unter dem Vorsitz des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog (CDU) erarbeiten.

Gestern erklärten Herzog und die Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel der Presse, dass die Kommission bis zum Herbst Ideen produzieren soll, wie angesichts des demografischen Wandels die Sozialsysteme für die kommenden zwanzig Jahre erhalten beziehungsweise umgebaut werden können. Erstes Ziel aber ist auch bei der Union eine Senkung der Lohnnebenkosten unter die 40-Prozent-Marke.

Mitglieder der Kommission sind bislang vor allem Mitglieder der CDU-Bundestagsfraktion wie Maria Böhmer, Friedrich Merz und Horst Seehofer, aber auch die Ministerpräsidenten Sachsens und des Saarlands, Georg Milbradt und Peter Müller. „Abgeordnete sind genug drin, wir brauchen auch ein paar Sachverständige“, kommentierte Herzog gestern diese Liste. Merkel sagte, dass man noch Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, den Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt, Herbert Rische, die Unternehmensberatung McKinsey sowie einen Experten aus der Versicherungswirtschaft hinzuziehen wolle, nicht jedoch „Leute aus Gewerkschaften und Unternehmen“.

Herzog betonte, er habe sich für seine Arbeit in der Kommission „völlige Freiheit“ ausbedungen. „Ich will sicherstellen, dass nichts unhinterfragt bleibt.“ Bei jedem Umbau der Sozialsysteme gehe es schließlich „immer nur darum, wie das Bruttosozialprodukt verteilt wird“. Hier leiste Bert Rürup in der nach ihm benannten Kommission sicherlich schon „hervorragende“ Arbeit, aber ihm, Herzog, sei daran gelegen, dass es mehr als nur einen Entwurf gebe.

Vor Alternativen stellen

In welche Richtung ein CDU-Kommissionsentwurf gehen würde, deutete Roman Herzog gestern nur an: „Eine private Finanzierung der Lebensrisiken ist sicherlich nur innerhalb enger Grenzen möglich.“ Letztlich müsse man die Gesellschaft auch „vor Alternativen stellen: Ob sie lieber aufs Krankengeld verzichten will oder auf einenTeil der Rente zum Beispiel.“ Obwohl an einer Umverteilung der Kosten kein Weg vorbeiführe, sagte Herzog: „Ehe ich die Sozialhilfeempfänger belaste, würde ich lieber einige Institutionen des Sozialversicherungswesens belasten.“ ULRIKE WINKELMANN
LUKAS WALLRAFF

meinung SEITE 12