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Archiv-Artikel

Leester Weltraum-Aquarium

Warum werden Seefahrer seekrank und Raumfahrer raumkrank? Schülerinnen aus Bremen und Leeste wollten es wissen. Dummerweise ist das Double ihres Aquariums mit der Columbia abgestürzt

„Im Weltall hatten die eine Futtermaschine – die konnten wir uns hier nicht leisten“

taz ■ Die Anweisung, die der Projektleiter aus Florida an die Kooperative Gesamtschule (KGS) Leeste schickte, war eindeutig: „Alles weitermachen wie geplant.“ Fünfzig mosambikanische Buntbarsch-Larven, eine Handvoll Schwertträger sowie eine Wasserpflanze und ein paar Schnecken hatte die Bremer Firma OHB Systems in ihrem eigens konstruierten „Space Aquarium“ ins All geschickt. Der Feuerball, der die Columbia-Raumfähre zum Absturz brachte, zerstörte das Experiment. „Ich konnte nicht glauben, dass das wirklich unser Projekt war“, sagt Anne Hollendiek, Zwölftklässlerin in der KGS Leeste. Denn das Double des „Space Aquarium“ stand bei ihr in der Schule.

Ein kaum DIN A4-großes Bassin, Filter, Pumpe, Messgeräte und Lampen, die 16 Stunden am Tag für Licht sorgen – alles genau wie auf der Columbia. Nur fürs Füttern waren in Leeste die SchülerInnen zuständig. „Im Weltall hatten die eine Futtermaschine – die konnten wir uns hier nicht leisten“, sagt Schülerin Kathrin Zumsande.

WissenschaftlerInnen wollten herausfinden, ob die Gewichtssteinchen, die im Ohr der Fische wie bei den Menschen die Reize für das Gleichgewichtsorgan liefern, im schwerelosen Raum anders wachsen als auf der Erde. Daraus erhofften sie sich Aufschlüsse über Schwindel und Übelkeit, die See- und RaumfahrerInnen plagen. „Wir sollten die Vergleichsdaten für das Experiment im Weltall liefern“, sagt Bio-Lehrer Ulrich König – nicht ohne Stolz. Im Profi-Labor in den USA, das OHB damit eigentlich beauftragt hatte, gingen die Fische nämlich ein.

Ein Jahr lang hatten die acht SchülerInnen von der KGS Leeste und dem Ökumenischen Gymnasium Bremen zusammen mit OHB das Experiment vorbereitet – besser als Frontalunterricht. Zumsande und MitschülerInnen bastelten am Aquarium, warben Spenden ein, kontrollierten pH-Wert und Temperatur. „Erstaunliche Talente“ entdeckte Lehrer König. „Wir hatten für alles einen Experten“, sagt Zumsande.

Pannen blieben trotzdem nicht aus. Bei einem Probelauf etwa wären die Larven fast wegen eines Zahlendrehers draufgegangen. Statt auf 7,9 hatten die SchülerInnen den pH-Wert des Fisch-Wassers auf 9,7 eingestellt – wie Seifenlauge. Erst als Zumsande per E-Mail „alles klar, Wasser auf pH 9,7“ meldete, löste OHB-Mann Frank Salm Alarm aus. Zumsande war schon zuhause: „Ich hab’ sofort in der Schule angerufen.“

Einen Tag vor Countdown zero für das Shuttle lieferte OHB die Larven. 18 Stunden lang badeten die SchülerInnen sie im Tintenfass, um die winzigen Gewichtssteinchen einzufärben. Etwas später als in Florida setzen die Schülerinnen dann ihr Aquarium in Gang. „Wir wollten nicht nachts hier antanzen“, entschuldigt König.

Die Larven und Fische aus dem Leester Bassin harren inzwischen bei OHB ihrer Untersuchung – im Tiefkühlfach. Auch die SchülerInnen wollen die größer gewordenen Gewichtssteinchen demnächst in Augenschein nehmen. Nur, dass der Vergleich mit den in Schwerelosigkeit gewachsenen jetzt wegfällt, „das ist schon deprimierend“, sagt Zumsande.

Armin Simon