warum ich kein feuerwehrmann wurde von MICHAEL TETZLAFF
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Nachdem ich hervorragend als Fußballer versagt hatte, musste sich mein Vater überlegen, wie er mich sonst, wenigstens für ein paar Stunden am Tag, loswerden konnte. „Das bringt nichts“, sagte er eines Tages, als ich mal wieder das ganze Spiel damit verbracht hatte, auf dem Platz herumzustehen und mit verschränkten Armen auf den Ball zu warten. Obwohl ich nicht Torwart, sondern Linksunten oder so was war. Nie mehr zu unmöglichsten Zeiten mit zehn anderen Jungs in einen Personenkraftwagen quetschen. Nie mehr von irgendeinem Vati zu irgendeinem Acker kutschiert werden. Nie mehr dieser abscheuliche Geruch in den Umkleidekabinen. Nie mehr Langeweile auf dem Fußballplatz. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Aber mein Vater nicht.

„Du gehst zur freiwilligen Feuerwehr“, sagte er eines Abends beim Essen. Mir fiel das Käsebrötchen aus dem Gesicht. Er habe schon mit Oberbrandschatzmeister Sutte gesprochen. Morgen gingen wir hin. Meine Mutter senkte ihren Blick und nippte nach alter Tradition an ihrem Rumkaffee. Mein Vater streute sich Zucker auf sein Tomatenbrot mit Zwiebeln. Es war entsetzlich. Ich ging in mein Zimmer und kratzte ein bisschen an den Wänden rum. Draußen polterte mein Vater beim Bierholen und brüllte: „Und kratz du mir bloß nicht wieder an den Wänden rum!“ Tja.

Der nächste Tag. Wie üblich bekam ich den obligatorischen Eintrag ins Klassenbuch. Nach der Schule setzte ich mich vor den Fernseher und schaute mir das Testbild von DDR 2 an. Die Zeit verging wie im Fluge, und schon kamen meine Eltern aus dem Kombinat. „Schnell noch was essen“, raunte mein Vater. Meine Mutter packte rasch die Einkaufstüte aus. Leider hatte sie Fleischsalat gekauft. Immer wenn mein Vater Fleischsalat aß – und er aß eigentlich ausschließlich Fleischsalat –, lief er stundenlang mit Mayonnaise im Schnauzbart herum. Meine Mutter und ich sagten dazu keinen Ton. Wir waren ja nicht ganz wahnsinnig.

„Gehen wir“, sagte mein Vater mit einem Bäuerchen unterlegt. Wir gingen. Im Gerätehaus der freiwilligen Feuerwehr saßen ungefähr zwanzig Jungen und Mädchen. Ich kannte niemanden. An der Stirnseite machte sich Herr Sutte breit. „Ah, der Neue“, begrüßte er uns. Mein Gesicht glich sich der Farbe des Feuerwehrautos an. Alle sahen mich an. Jetzt starrten sie meinen Vater an, genauer: seinen Schnauzbart. Ich musste mich für zwei schämen: für mich und für einen Erwachsenen. Das war anstrengend.

„Setz dich!“, befahl mir Herr Sutte und sagte zu meinem Vater: „Komm, wir trinken erst mal ein Bier.“ Sie gingen ins „Büro“. Ich hatte mir vorgenommen, mit niemandem ein Wort zu wechseln. Die anderen am Tisch hatten wohl denselben Plan. Ich stand auf und kletterte ins Feuerwehrauto. „Geh da raus!“, riefen sie im Chor. Die spinnten wohl?! Der Zündschlüssel steckte im Schloss. Ich drehte ihn um. Das Auto machte einen größeren Satz nach vorn – durch die Wand. Mein Vater und Herr Sutte guckten selten blöd aus der Wäsche. Feuerwehrmann musste ich jetzt auch nicht mehr werden.