Tony Blair unterliegt bei Oberhausreform

Der britische Premierminister scheitert im Unterhaus mit seinem Anliegen, alle Lords künftig zu ernennen

DUBLIN taz ■ Dabei hat er sich so beeilt: Der britische Premierminister Tony Blair flog vorgestern nach seinem Besuch beim französischen Präsidenten Jacques Chirac direkt zurück nach London, um bei der Reform des Oberhauses seinen Willen durchzusetzen. Doch seine eigenen Parteikollegen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Blairs Reformmodell, wonach die Lords künftig ernannt – und nicht, wie von anderen gefordert, gewählt – werden sollten, wurde im Unterhaus mit 323 zu 245 Stimmen abgelehnt.

Allerdings konnte der Premierminister das Schlimmste verhindern. Auch der Vorschlag seines Gegenspielers Robin Cook, des Labour-Fraktionschefs im Unterhaus, der alle Oberhausmitglieder wählen lassen wollte, unterlag mit 289 zu 272 Stimmen. So mussten die Parlamentarier bis kurz vor Mitternacht über sämtliche Variationen befinden. 20 Prozent gewählte Lords oder 20 Prozent ernannte? Fifty-fifty? Am Ende fand sich keine Mehrheit für irgendeinen Vorschlag. Sämtliche sieben Anträge wurden abgelehnt, wobei Blairs Ansinnen die wenigsten Anhänger fand – abgesehen vom Vorschlag Dennis Skinners, des linken Labour-Abgeordneten, der das Oberhaus ganz abschaffen wollte. Dies war den meisten Abgeordneten zu radikal, Skinners Antrag wurde mit 390 zu 172 Stimmen abgeschmettert. Am besten schnitt der Antrag ab, wonach 80 Prozent der Lords gewählt werden sollten. Eine Mehrheit bekam aber auch der nicht.

Obwohl die Lords bei gleichzeitiger Abstimmung Blairs Vorschlag mit klarer Mehrheit annahmen, ist das Unterhausergebnis eine peinliche Niederlage für den Premierminister. Sein Sprecher bestritt das: Schließlich habe es keinen Fraktionszwang gegeben, von einer Rebellion könne also keine Rede sein. Immerhin haben aber 179 Labour-Abgeordnete gegen ihn gestimmt, darunter vier Kabinettsminister und 21 Staatssekretäre. Nun geht die Sache zurück an einen Ausschuss aus beiden Kammern, der am 25. Februar versuchen muss, eine Schlussfolgerung aus der Abstimmung zu ziehen.

Blair befürchtet, ein gewähltes Oberhaus würde die Autorität des Unterhauses untergraben. Schließlich solle das Oberhaus nicht in Rivalität mit dem Unterhaus stehen, sondern dessen Entscheidungen lediglich überprüfen. Robin Cook, sein ehemaliger Außenminister, sagte hingegen: „Falls wir es mit der Reform ernst meinen, müssen wir eine ausschließlich oder überwiegend gewählte zweite Kammer haben und einen Schlussstrich unter die längste politische Entscheidungslosigkeit unserer Geschichte ziehen.“

1997 stand die Oberhausreform im Wahlprogramm der Labour Party noch ganz oben. „Demokratischer und repräsentativer“ sollte es werden. In der ersten Phase schaffte Blairs Regierung einen großen Teil der Erblords ab und ersetzte sie durch eigene Leute, was dem Oberhaus den Spitznamen „Tonys Kumpelhaus“ einbrachte. Die Bürgerrechtsorganisation Charter 88 beschuldigte Blair gestern, er habe nicht das geringste Vertrauen in die Wähler. RALF SOTSCHECK