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Archiv-Artikel

Grosz Ungewissheit

Anspruch auf Rückgabe betrifft zwei Gemälde der Kunsthalle: Alles, was Bremen von George Grosz hat

„Es handelt sich hierbei nicht um eine Raubkunst Geschichte“

Inventar Nummer 1230, der sechste Zugewinn für die Sammlung im Jahr 1979, das ist „Pompe funèbre“ („Feierlicher Leichenzug“) – Öl auf Goldbronze, 100 mal 70 Zentimeter, gemalt 1928. Das andere, Stillleben mit Okarina von 1931, Öl auf Leinwand, trägt die Kennzahl 1075 -1972/23. „Erworben aus Mitteln der Freien Hansestadt Bremen (Stadtgemeinde),“ klärt die Bestandsliste der Kunsthalle weiter auf. Kein Zweifel, die beiden George Grosz-Originale sind ehrlich bezahlt.

Und doch wird die Kunsthalle möglicherweise künftig auf sie verzichten müssen: „Es handelt sich hierbei nicht um eine Raubkunst Geschichte“, betont Sprecherin Christine Kramer. Allerdings gebe es tatsächlich Restitutionsansprüche, bestätigte sie einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Diesem zufolge fordern die Erben des Malers die Rückgabe der Bilder. Hintergrund: Vor seiner Emigration aus Deutschland im Januar 1933 hatte George Grosz (1893-1959) die Gemälde seinem Galeristen Alfred Flechtheim überlassen: Bereits in der Weimarer Republik war der Maler wegen der provokant politischen Sujets und der oft ätzend-karikaturhaften Komik seiner Bilder mehrfach inhaftiert worden.

Der jüdische Kunsthändler wurde jedoch – obwohl Entdecker von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker – sehr bald zur Feindfigur des Nazi-Systems stilisiert. Flechtheim floh nach London. 1937 starb der gebürtige Münsteraner im Exil. Ein Jahr später wurde sein Nachlass in den Niederlanden versteigert.

Das Problem: Es gibt starke Indizien dafür, dass Flechtheim die Gemälde lediglich in Kommission genommen, also nicht gekauft hatte. Damit aber wären sie nach wie vor– ein entsprechendes Grundsatzurteil gab es 1998 in London – Eigentum von George Grosz, sprich: seiner direkten Erben. Dieser Ansicht scheint zumindest der Nachlassverwalter des Künstlers, Ralph Jentsch, zu sein, der auf Capri residiert. Gestern war er zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

„Pompe funèbre“ und „Stillleben mit Okarina“ sind die einzigen Grosz-Werke in der Hansestadt. Nur durch sie ist die pointierteste malerische Position der Weimarer Republik in Bremen vertreten. Den möglichen Verlust, den die Rückgabe der Bilder für die Bremer Sammlung darstellen würde, mochte bei der Kunsthalle gestern niemand einschätzen. „Das hieße spekulieren“, so Sprecherin Kramer. „Wir möchten aber die Einzelfallprüfung abwarten.“ Damit, bestätigte sie, sei ein Anwalt betraut. Auch ein erstes Ersuchen, die Bilder abzuholen habe es gegeben. Es sei aus diesem Grunde vorläufig abgewiesen worden.

Benno Schirrmeister