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Archiv-Artikel

Etat beschlossen, Miteinander tot

Als 1998 die DVU stärkste Partei bei den Jungwählern Sachsen-Anhalts wurde, begann ein Verein namens „Miteinander e. V.“ zivile Initiativen gegen national dominierte Szenen zu setzen. Seit gestern spart sich Schwarz-Gelb den Demokratie-Verein

aus Magdeburg ANJA WORM

Die rechtsextreme Szene Sachsen-Anhalts jubelte schon vorher. Die Antifatzken und die „Linken (körperliche Arbeit scheuenden)“ müssten sich endlich wieder auf den realen Arbeitsmarkt begeben, schrieb der „Nationale Beobachter Halle“. Grund der Freude für die Rechtsaußen war die Absicht der Landesregierung, der Initiative „Miteinander, Verein für Demokratie und Weltoffenheit“ die Zuschüsse drastisch zu kürzen. Gestern exekutierte der Landtag die Vorlage: Er beschloss den Haushalt – und faktisch das Aus für den zivilgesellschaftlichen Verein.

Zwei Jahre lang hatte das Land „Miteinander e. V.“ mit rund 1,1 Millionen Euro finanziert. Nach der gestrigen Verabschiedung des Landeshaushalts durch die schwarz-gelbe Magdeburger Mehrheit werden es künftig noch knapp 300.000 Euro sein. Der Geschäftsführer von Miteinander, Wolfram Stender, weiß, was das bedeutet: „Allen elf Mitarbeitern wurde zum 31. März gekündigt, die Regionalstellen werden geschlossen.“

Über 350 lokale Projekte unterstützte der Verein bisher. Er finanzierte etwa kulturelle und Jugendinitiativen, um – so die Selbstdarstellung – „weltoffene“ Strukturen in teilweise autoritär-rechts dominierte Regionen Sachsen-Anhalts zu bringen. Etwa in der Kleinstadt Weißenfels. Zwei Jahre lang besuchten Togolesen, die Asyl beantragt hatten, die örtlichen Schulen – und versuchten in Gesprächen, Vorurteile abzubauen. „Viele Jugendliche meinten vorher, Asylbewerber seien Drogenhändler“, berichtet Roman Ronneberg von „Miteinander e. V.“. Nach ihrer Arbeit in den Schulen hätten Schüler und Eltern die Togolesen auf der Straße gegrüßt. Ein winziger Schritt – aber ein wichtiger.

Seine drei Regionalstellen siedelte der Verein bewusst in Kleinstädten an. Anlass dafür war das Wählerpotenzial der rechtsextremen Deutschen Volks-Union (DVU), die 1998 in den Landtag eingezogen war: Bei den unter 30-Jährigen in Sachsen-Anhalt wurde die DVU damals mit 30 Prozent klar stärkste Partei. Von der Industrie- und Handelskammer bis zum Bundespräsidenten wirkte der Schock, und mit viel öffentlicher Anerkennung versuchte „Miteinander e. V.“ in den national denkenden Jugendszenen andere Akzente zu setzen. „Nur wo eine attraktive Jugendkultur existiert“, sagt Ronneberg, „verblasst die rechte Jugendwelt aus Schutz und Gemeinschaft.“

CDU und FDP hatten bereits in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben, dem Demokratie-Verein die Mittel zu kürzen. Bis Ende vergangenen Jahres durfte der Verein noch von rund 540.000 Euro Förderung ausgehen. Mitte Januar aber drückten CDU und FDP im Landtag das Budget noch einmal: auf 300.000 Euro. Für „Miteinander“ war es nun zu spät, um Mittel anderer Fördertöpfe zu beantragen.

Der Etatbeschluss zwingt den Verein praktisch zur Selbstauflösung, sagt Stender. Denn es falle nun die aufgebaute regionale Struktur weg. Nicht nur vereinseigene Projekte sterben damit, sondern viele geförderte örtliche Initiativen.

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