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Archiv-Artikel

Kunstfehler

Das Statistische Bundesamt zählte im Jahr 2000 rund 767.000 Lebendgeburten, knapp dreitausend weniger als im Jahr zuvor. Die Anzahl an Totgeburten lag bei rund dreitausend Babys, 3.350 Säuglinge starben im ersten Lebensjahr.

Nach dem deutschen Hebammengesetz muss bei jeder Geburt eine Hebamme anwesend sein: Kein Arzt darf ohne Hebamme entbinden. Dies ist die einzige gesetzliche Regelung. Die personelle und materielle Ausstattung der Geburtsabteilungen kann sich nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe richten.

Nach deren Leitlinien sollte ein Bereitschaftsdienst für Notfälle – bestehend aus einem Facharzt, einem Anästhesisten, einem Kinderarzt sowie Pflege- und Laborpersonal – rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Ein Organisationsplan sollte bei Komplikationen die Verantwortlichkeiten des beteiligten Personals regeln. Ein Notkaiserschnitt sollte innerhalb von zwanzig Minuten durchführbar sein.

Kreißsaal, Wochenstation und Neugeborenenzimmer, Operationssaal, Anästhesiearbeitsplatz und Aufwachraum sollten mit modernen Geräten ausgestattet sein. Wenigstens ein CTG-Apparat, der während der Geburt die Herztöne des Kindes und die Wehen der Mutter überwacht, sollte vorhanden sein.

Eine Untersuchung der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) ergab, dass die meisten Behandlungsfehler in der Chirurgie (66 Prozent), in der Gynäkologie und Geburtshilfe (18 Prozent) und in der Inneren Medizin (6,5 Prozent) passieren. Interessenverbände Kunstfehlergeschädigter führen Behandlungsfehler vor allem auf Selbstüberschätzung und Überbelastung des Personals zurück. Mediziner machen organisatorische Fehlplanungen, personelle Engpässe sowie Überlastung und Stress durch 24-Stunden-Schichten verantwortlich.

Bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler können sich Betroffene bei den Verbraucherzentralen der Länder, Patientenstellen und -initiativen informieren. Eltern, die die Behinderung ihres Kindes auf einen Behandlungsfehler bei der Geburt zurückführen, können sich an den Arbeitskreis Kunstfehler in der Geburtshilfe (Münsterstr. 261, 44145 Dortmund, Fon: [02 31] 52 58 72) oder an die Bundesinteressengemeinschaft Geburtshilfegeschädigter e. V. (Nordsehler Str. 30, 31655 Stadthagen, Fon [0 57 21] 7 23 72) wenden.

Einen leichten Trend zu „selbstbestimmten Geburten“ in den eigenen vier Wänden und in Geburtshäusern verzeichnet der Bund Deutscher Hebammen e. V. Dessen Präsidentin Magdalena Weiß erklärt diese Entwicklung mit dem Bedürfnis der Schwangeren nach mehr Individualität und Intimität während der Geburt. Viele Frauen würden sich durch die Anonymität und „unnötige“ technische Eingriffe in den Geburtsabteilungen der Krankenhäuser verunsichert fühlen.

Eine Untersuchung in Niedersachsen von 1989 bis 1999 hat ergeben, dass bei über neunzig Prozent der Schwangeren technische Eingriffe durchgeführt wurden, obwohl Schwangerschaft und Geburt ohne Komplikation verliefen. Die Dammschnittrate etwa betrug in Kreißsälen sechzig, bei Hausgeburten und in Geburtshäusern weniger als acht Prozent. Für die „selbstbestimmte Geburt“ kommen jedoch nur Frauen in Frage, bei denen eine „leichte“ Geburt erwartbar ist. SANDRA SACHS