: Ganz in Weiß mit Blumenstrauß
Hochzeitsmesse in Oldenburg: Alles für den schönsten Tag des Lebens. Die Deutschen kleben an ihren Vermählungsritualen, deshalb gab es in der Weser-Ems-Halle Klassisches und Kitschiges, nur neugeredet. Ein Stimmungsbericht von Susanne Pohlig
taz ■ Etwas Geliehenes wird Helene tragen, etwas Altes, Neues und etwas Blaues. So will es die Tradition. Vielleicht wird sie entführt am 7. Juli, trotzdem soll es der schönste Tag ihres Lebens werden: Hochzeit. Ihr Kleid hat sie schon ausgesucht – Alex, der Zukünftige, darf es natürlich nicht sehen.
Jetzt fehlen noch Schuhe und Trauringe. Deshalb sind die beiden zur Hochzeitsmesse in die Oldenburger Weser-Ems-Halle gekommen. Hier drängeln sich überall Paare wie Alex und Helene. Sie sitzen an Juwelierständen und staunen über siebenstöckige Tortentürme. Die teuerste Cremebombe kostet fast 300 Euro.
Kleiderständer biegen sich unter Satinroben und Spitzenschleiern. Frau Tütjer bietet in ihrem Laden Solarkleider an – die ändern ihre Farbe im Sonnenlicht. „Der Stoff wurde vor einem Jahr in Deutschland entwickelt“, sagt sie.
Allerdings verkaufen sich die Tüllgewänder nur schleppend, zu haben sind sie erst ab 1.000 Euro. Zwischen den knisternden Stoffmassen betrachten sich aufgeregte Bräute im Spiegel, umringt von einem Mutter-Freundinnen-Pulk. „Ein bisschen Solarium, dann geht’s“, kommentiert ein Passant.
Mit glühenden Wangen werden Schleier herbei getragen, Falten gezupft, Busen zurecht geschoben. Die Mutter steht Schmiere – nicht dass der Bräutigam am Ende noch guckt. Vielleicht steht der gerade beim Stand der Nordseeinsel Pellworm: Heiraten auf dem Leuchtturm oder in einer Windmühle, das wäre doch was. Oder nicht doch ein bisschen zu gewagt?
Während dessen hat auf der Bühne die Brautmodenschau begonnen. Drumherum reihen sich Pärchen aneinander. Entzückte Lächeln in den Gesichtern und die starken Männerarme schließen sich fester um ihre Frauen. Auf dem Laufsteg tanzen Korkenzieherlocken zu Joe Cocker.
Beim Thema Hochzeit reduziert sich die menschliche Geschmacksvielfalt auf ein einziges Ideal: Locken, Blümchen in der Hochsteckfrisur und ein langes, nicht allzu rüschiges Kleid.
Es gibt ihn, den deutschen Braut-Stereotyp. Nach der Modenschau verbreitet Harry Wijnfoord (“Der Preis ist heiß“) Kaffeefahrt-Atmosphäre. „Ich sehe schon, dass jetzt alle fluchtartig weglaufen“, scherzt er, während er Kandidaten für sein Hochzeitsquiz rekrutiert.
Die meisten der Auserwählten geben später ein klägliches Bild ab. Sie kennen weder die Hauptzutat einer Bouillabaisse noch die Schreibweise von ‚Lipizzaner‘. Doch Harry läuft zu Hochform auf und rührt kräftig die Werbetrommel für das Restaurant, dessen Gutscheine er verlost. Alex fliegt nach der ersten Runde raus, weil er nicht wusste, wie lange Dornröschen geschlafen hat.
Naja, immerhin kann er mit Helene einmal kostenlos Kaffeetrinken gehen. Außerdem sind die beiden bei der Ringsuche fündig geworden und wollen sowieso nach Hause.
Am Ausgang zieht ein Maybach, Baujahr 1935, die Blicke auf sich. Alle Prospekte sind schon vergriffen. Automobilliebhaber Fritz Hardach vermietet den Wagen mit Chauffeur für 75 Euro pro Stunde. Ein britisches Taxi kostet 50 Euro. Stil saugt am Geldbeutel, das ist auf der Messe überall zu spüren.
Aber wer will denn bitte bei der hoffentlich einzigen Hochzeit im Leben knausern? „Ich sehe schon, dass jetzt alle fluchtartig weglaufen“ tönt es aus dem Lautsprecher. Neue Quizrunde, neue Kaffeegutscheine.
Eine feigenblattberankte Eva verteilt Äpfel. „Besuchen Sie den Stand der Kirchen in Oldenburg“ steht darauf. Adam telefoniert im Hintergrund kurz mit seinem Handy.