tonspur
: Maigret und das alte Radio

Belgier war er also. Muss einem ja mal gesagt werden. Bin ich doch sonst immer davon ausgegangen, dass es außer Jacques Brel, Jean-Marie Pfaff und Hercule Poirot kein Belgier zur Berühmtheit gebracht hat. Belgische Pralinen höchstens noch. Aber die verkleben mir immer die Lautsprecher, wenn ich mir mal eine gönne. Lieber als diese klebrige Schokolade mag ich dann doch das Programm, das in der kommenden Woche anlässlich des 100. Geburtstags von Georges Simenon (1903–1989) im Rundfunk abgespult wird. Ach ja, Georges Simenon ist übrigens der Belgier, den doch jeder für einen Franzosen hält.

 An dieser Verwechslung ist sicher die Figur schuld, die Schorsch berühmt gemacht hat: Kommissar Maigret, Franzose eben, kriminologisch tätig in Paris. Entgegen allen Behauptungen hat der Pfeife paffende Polizeibeamte sogar einen Vornamen: Jules. Das ist das Ergebnis meiner langwierigen Ermittlungen. Außer seiner Frau nennt ihn aber sonst keiner so, sondern immer nur „Maigret“. Wie viele Fälle der kauzige Kommissar insgesamt lösen durfte, wie oft er sich mit Leichen im Canal Saint Martin, mit einstürzenden Sanatorien oder mit korrupten Politikern rumschlug – diesbezüglich variieren die bibliografischen Angaben von 76 bis 102. Ein Vielschreiber war Simenon aber auf alle Fälle: 105 Non-Maigrets (wie das Fachradio sagt), 250 Groschenromane, über 1.000 Erzählungen. 1.000 Frauen soll er angeblich auch gehabt haben, wahrscheinlich für jede Erzählung eine.

 Ich will jetzt aber nicht lästern, sondern endlich zu den Hörtipps kommen. Vielleicht sollten Sie in den nächsten Tagen ausnahmsweise mal den TV-Krimi gegen einen Radio-Maigret austauschen. Im Angebot ist zum Beispiel „Maigret lässt sich Zeit“ (Freitag, 20.05 Uhr, WDR 5). Hier schlägt sich unser Held ungewöhnlich lange mit dem Mord an einem Nachtclubbesitzer herum. Oder „Maigret und die Groschenschenke“ (Freitagnacht, 0.05 Uhr, DLF). In der BR-Produktion aus dem Jahr 1961 lernt man alle akustischen Tricks kennen, die zur Untermalung einer spannenden Geschichte taugen: knirschende Schuhsohlen, Pernod-Gläser-Geklapper, Xylofon-Geklöppel, Tatatata-Fanfaren und weinende Frauen. Und die Stimme von Elmar Wepper, noch unbefleckt von späteren Fernsehsünden.

 Er ist aber nicht der einzige deutsche Schauspieler, der im Radio geübt hat. Horst Tappert, besser bekannt als Derrick, schickte auch erst seine Stimme und dann sein Gesicht auf den Sender. In der Vertonung des Simenon-Romans „Die Glocken von Bicêtre“ (Sonntag, 14.05 Uhr, HR 2) spricht er einen Arzt, der den nach einer Hirnembolie halbseitig gelähmten René Maugras betreut. Simenon schildert präzise die Gedankenwelt und zugleich die Hilflosigkeit des kranken Mannes, Gert Westphal, der große Erzähler und Hörspielregisseur, hat diese Situation zwischen Leben und Tod 1965 ebenso eindrücklich umgesetzt. Beim Hören dieses kleinen Lehrstücks in Sachen Psychologie kann man schließlich auch Patricia Highsmith, selbst mit kriminalistischen Talenten ausgestattet, verstehen, die sagte, Simenon sei der größte Schriftsteller seiner Zeit.

 Wer nun also seine Simenon-Dosis weiter erhöhen will, kann im NDR bis zum 18. Februar jeden Tag eine halbe Stunde lang „Geschichten um Kommissar Maigret“ hören (NDR Kultur, 8.30 Uhr) und im Radio Kultur „Der Mann, der den Zügen nachsah“ (bis 14. 2., 8.30 Uhr sowie 19.30 Uhr, SFB). Oder verfolgen, was in „Maigret und der gelbe Hund“ passiert, auch in Westphals Bearbeitung (Sonntag, 23.00 Uhr, SWR 1). Schade nur, dass die Folge „Maigret und das alte Radio“ nirgends gesendet wird. Na ja, diesen Fall konnte Georges Simenon zu Lebzeiten nicht mehr aufschreiben. Das habe ich aber jetzt und hiermit getan.

VERONA VON BLAUPUNKT

(Frequenzprobleme? Hilfe im Internet unter www.ukwsender.de)