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Archiv-Artikel

Harry, führ den Wagen vor!

In jedem „Tatort“ spielen sie wichtige Nebenrollen, charakterisieren die Kommissare oder werden einfach nur vorgeführt: die Dienstwagen („Tatort – Die Liebe und ihr Preis“, 20.15 Uhr, ARD)

von CLEMENS NIEDENTHAL

Dominic Raacke macht eine gute Figur in dicken Schlitten. Die passen wunderbar zu seinen Cowboystiefeln. Und zu seinem Hauptkommissar Till Ritter – dem lonesome cowboy unter den „Tatort“-Ermittlern. Als solcher saß Raacke schon im gediegenen Leder eines alten, ausladenden Mercedes Cabriolet. Oder im engen Cockpit eines Aston Martin. Was als augenzwinkernde Reminiszenz an den Lieblingsspion Ihrer Majestät gedacht war.

Ansonsten aber neigen die öffentlich-rechtlichen Gesetzeshüter kaum zu motorisierten Extravaganzen. Einzig Dietmar Bär und Klaus Behrendt gehen als Ermittlerduo Schenk/Ballauf hin und wieder in den beschlagnahmten Luxuskarossen Kölner Kiezgrößen auf Verbrecherjagd. Odenthal-Assistent Mario Kopper (Andreas Hoppe) tröstete sich zuletzt mit einem mausgrauen Fiat 500 über den Verlust seiner Giulia hinweg. Die war im harten Polizeialltag zu Bruch gegangen.

Und darf nunmehr in Form eines blechernen Alfa-Romeo-Logos in der Ludwigshafener Polizeistube weiterleben. Wobei die automobile Ikonografie in diesem Fall eine doppelte war: Dem italienischen Kommissar wurde ein italienisches Auto zur Seite gestellt, das gleichzeitig als Surrogat für die Heimat wie die Frauen (die Giulia) herhalten musste.

Im Falle einer fabrikneuen C-Klasse hingegen kann von einem ikonografischen Mehrwert kaum mehr die Rede sein. Die Ermittler brauchen ein Auto. Und die Automobilkonzerne stellen gern eins zur Verfügung – das die Kamera dann pittoresk in Szene setzt. Vielleicht sollte man „Tatort“-Kommissariate künftig nicht mehr nach Sendeanstalten, sondern nach Fahrzeugmarken unterscheiden. Wir hätten dann BMW-Kommissare (Batic/Leitmayr), eine Volkswagen-Kommissarin (Charlotte Lindholm) und diverse Mercedes- ErmittlerInnen. Eine von ihnen ist Eva Mattes alias Klara Blum. Und die hat die Crux mit den standardisierten Ganzneuwagen in ihrem „Tatort“-Debüt „Schlaraffenland“ eindrücklich in Szene gesetzt: Da scheitert die eigentlich patente Polizistin an der zentralen Türverriegelung ihrer silbernen Kombilimousine, um letztlich festzustellen, dass sie am falschen Wagen fingerte. Ihr baugleiches Modell parkte gleich nebenan.

Zwei Verbrechen später sind Mattes und Mercedes schon klüger. In „Stiller Tod“ wurde das fehlende Charisma der Dienstlimousine einfach durch die Patina der automobilen Historie ersetzt. Wie beiläufig reihen sich da das noble Oldtimer-Coupé eines Nebendarstellers, ein gelber Diesel-Benz aus den späten Siebzigerjahren und der Kombi der Kommissarin aneinander.

Ein Bild wie aus einer Mercedes-Werbung. Oder doch ein Bild aus einer Mercedes-Werbung? Der linksliberale Gestus der meisten „Tatort“-Detektive zumindest scheint sich hinter dem Lenkrad ausnehmend wohl zu fühlen.

Das schlechte Gewissen radelt derweil durch die angeblich fahrradfreundlichste Stadt der Republik. „Tatort“-Neuling Axel Prahl jagt Münsteraner Bösewichte auf dem Mountainbike. Ökologisch korrekt wie weiland das Rennrad von Max Palu (Jochen Senf) – und lebensstil-ideologisch konträr zum barocken Jaguar des mit ihm ermittelnden Pathologen (Jan Josef Liefers). Der Verzicht auf ein Auto verweist hier also auf ein anderes. Immerhin aber ist das ein zeichenstarkes Gefährt. Fast so wie Magnums Ferrari oder der E-Type von Emma Peel. Anders gesagt: Wäre etwa „Bullit“ ein solch epochaler Film, wenn Steve McQueen nicht im 68er Mustang Fastback um die Kurven gedriftet wäre, sondern in einem 3er-BMW?

Die 32-jährige „Tatort“-Geschichte kennt indes noch eine automobile Ausnahme: die britischen Roadster eines gewissen Herrn Kressin (Sieghardt Rupp). Aber der war schließlich Zollfahnder – nicht Polizeibeamter.