: Nicht attraktiv genug
Die Zahl der Einwanderer nach Deutschland steigt erstmals wieder an. Migrationsforscher warnen aber vor der Abwanderung junger Fachkräfte
WIESBADEN dpa ■ Deutschland bleibt Einwanderungsland. Seit 1999 lassen sich wieder mehr Menschen in der Bundesrepublik nieder als aus Deutschland abwandern. Allein im vergangenen Jahr waren dies nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes 235.000 Menschen. Nach Ansicht des Freiburger Migrationsforschers Dieter Oberndörfer braucht die Bundesrepublik aber noch wesentlich mehr Einwanderer, zumal überproportional viele junge Deutsche ihr Land verlassen.
Die Netto-Einwanderung war zuletzt aber deutlich schwächer als zu Beginn der Neunzigerjahre. Der Höhepunkt war 1992 erreicht, als 782.000 Einwohner hinzukamen. Bis 1998 sank dieser Wert auf 47.000. Im Jahr 2001 verzeichneten die Statistiker mit 273.000 Einwanderern eine enorme Steigerung von 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, teilte das Bundesamt gestern mit. Im vergangenen Jahr ging die Zahl wieder etwas zurück.
„Notwendig wäre aber eine Netto-Zuwanderung von mindestens 300.000 Menschen, denn die deutsche Bevölkerung wird immer weniger und älter“, sagte Oberndörfer, der zugleich dem Rat für Migration vorsitzt. Bislang hätten besonders Spätaussiedler für Einwanderung gesorgt. Ihre Zahl sinkt laut Bundesamt aber stetig: Kamen zwischen 1991 und 1995 noch jährlich mehr als 200.000 Aussiedler, waren es 2001 nur noch 87.000. Vor allem für die Wirtschaft muss nach Oberndörfers Worten der Zuzug hoch qualifizierter Arbeitskräfte gewährleistet werden.
Das vorerst gescheiterte rot-grüne Zuwanderungsgesetz nannte der Freiburger Politikwissenschaftler in diesem Zusammenhang „zu zaghaft“. „Es wäre aber besser als die jetzige Regelung.“ Den Einwand aus der Union, das Gesetz führe zu starker neuer Einwanderung, bezeichnete das CDU-Mitglied Oberndörfer als „Vogel-Strauß-Politik“, die den Erfordernissen nicht gerecht werde.
Mit Sorge betrachtet Oberndörfer, dass immer mehr junge Deutsche ihr Glück im Ausland suchten. „Da unser Land wirtschaftlich stagniert, sehen gerade die hoch Qualifizierten in Kanada, Australien oder den USA bessere Zukunftschancen.“ Diese Tendenz werde sich noch verstärken. Gut die Hälfte der Auswanderer sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts zwischen 18 und 40 Jahre alt.
Zwischen 1991 und 2001 sind nach den Berechnungen der Statistiker rund 3,6 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gekommen als das Land verlassen haben. 2,2 Millionen besitzen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die meisten stammten aus Serbien/Montenegro (407.000), der Türkei (233.000) und der Russischen Föderation (188.000). Fast jeder vierte der zugewanderten Ausländer war ein Asylbewerber.
Die Zahl der insgesamt in Deutschland lebenden Ausländer stieg von 1991 bis 2001 um 1,4 Millionen auf rund 7,3 Millionen. Damit besitzen 8,9 Prozent der Einwohner keinen deutschen Pass. Ein Viertel davon stammt aus Ländern der Europäischen Union, ein weiteres Viertel aus der Türkei.