: Die Tochter im Sack
Nur in den intimen Kammerszenen vermag der Oldenburger „Rigoletto“ zu bestechen. Die drückende Atmosphäre des Vergewaltiger-Hofs geht in Regisseurin Mascha Pörzgens unpolitischer Deutung völlig verloren
Das ehrgeizige Staatstheater Oldenburg muss – wie andere vergleichbare Opernhäuser auch – in der Regel für bestimmte große Rollen Gäste holen. Dagegen ist gar nichts zu sagen, ermöglicht eine solche Praxis doch einen repräsentativen Spielplan, und jede Aufführung zeigt, dass keine noch so gute CD mit der Spannung einer Liveaufführung konkurrieren kann.
Für die jetzige Premiere von Giuseppe Verdis Meisterwerk „Rigoletto“ ließen sich die Niveauunterschiede leider nicht so leicht kombinieren. Dem einschränkungslos fabelhaften Gaststar Hannu Niemela als Hauptfigur und den mit Anja Metzger und Alexia Basile sehr gut aus dem Ensemble besetzten tragenden Frauenpartien Gilda und Maddalena stand ein hauseigener Herzog gegenüber, dem etliche Gesangs- und Schauspielstunden zu fehlen schienen.
Regisseurin Mascha Pörzgen konnte diesen Missstand nicht auffangen. Vielleicht hatte sie kein Interesse daran, vielleicht hat sie auch kapituliert: Ihre vollkommen unpolitische Arbeit hatte eindrucksvolles Profil in den Kammerszenen, wenn der verzweifelte Vater Rigoletto seiner versteckten Tochter begegnet, wenn er sie am Ende ermordet im Sack findet, wenn Rigoletto mit dem gedungenen Mörder Sparafucile verhandelt, und wenn Maddalena den Herzog verteidigt.
Unbefriedigend hingegen blieben die Gruppenszenen am Hof des verbrecherischen Herzogs, wo Pörzgen das erdrückende gesellschaftliche Umfeld auf eine Ästhetik hinreißender Kostüme (Christof Cremer) reduzierte. Die grauenhafte Atmosphäre jenes Hofs im Mantua des 16. Jahrhunderts, an dem der Herzog eine Frau nach der anderen vergewaltigt und sich der verunstaltete Hofnarr Rigoletto zynisch an den Schweinereien seines Herren beteiligt, kam nicht einmal andeutungsweise herüber. Steif und zeitlupenartig spielte sich alles ab. So gelingt es auch allenfalls in Ansätzen, zu zeigen, wie Rigoletto Opfer seiner eigenen Doppelmoral wird. Und das, obschon Cordelia Matthes geschickt zweigeteiltes Bühnenbild hier alle Möglichkeiten eröffnet hätte. Auch die Musik bedarf derVerfeinerung. Im ersten Teil fehlte viel, fast alles: Klangschönheit, Poesie und der spezifische Drive, mit dem Verdi in dieser Oper einen Hit an den anderen gereiht hat. Im zweiten Teil gelangen unter der Leitung von Generalmusikdirektor Alexander Rumpf vor allem die dramatischen Passagen.
Ute Schalz-Laurenze
Rigoletto, Staatstheater Oldenburg. Nächste Aufführungen: 12. Februar, 1. und 8. März, jeweils um 19.30 Uhr