: „Krieg wie TV-Sport“
Deutsche Medien berichten undifferenziert und einseitig im Irakkonflikt. Michael Haller über Krieg, Fernsehen und Informationen im Indikativ
Die Medien bereiten sich vor. Auf einen Krieg im Irak, der von der US-Administration gewollt ist. Einen Krieg, von dem auch die JournalistInnen wissen, dass versucht wird, sie noch stärker als zuvor zu manipulieren und ihre Berichte propagandistisch auszuschlachten. Ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Michael Haller.
taz: Wo sehen Sie die Probleme bei der Kriegsberichterstattung in einem möglichen Irakkrieg?
Michael Haller: Auf der handwerklichen Ebene: Militärische Operationen sind so organisiert, dass sie dem physisch beobachtenden Augenzeugenjournalisten, dem Kriegsreporter, praktisch unzugänglich sind. Das haben wir im ersten Golfkrieg auf plastische Art erlebt. Man weiß sehr wenig, was tatsächlich passiert ist. Bis heute ist völlig ungeklärt, wie viele Iraker umgekommen sind. Außerdem werden Journalisten PR-mäßig mit aseptischen, bereinigten und einseitigen Informationen versorgt. Hinzu kommt, dass der Journalismus im Krieg gezwungen wird, für eine Seite zu berichten. Die andere Seite ist unzugänglich. Wer könnte auf der Seite des Iraks informationsoffen berichten? – Niemand.
Es wird ja oft von einer Korruption der Journalisten durch Nähe gesprochen, Akkreditierungen werden an loyale Medien vergeben, wer kritisch berichtet, fliegt raus. Was können Reporter denn tun, um nicht vereinnahmt zu werden?
Die einfachste und trotz aller Versuche der Korruption mögliche Verhaltensweise ist das transparente Darstellen der Quellenlage. Deutsche Journalisten neigen dazu, einseitige Informationen im Indikativ weiterzugeben. Wenn Washington etwas sagt, dann ist es noch längst nicht so, wie Washington es sagt. Journalisten müssen den Lesern, Zuschauern und Zuhörern die Chance geben, dies als eine Version unter vielen zu begreifen und nicht als die Wirklichkeit. Das ist die erste und einfachste Tugend des Berichterstatters. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wenn es globaler wird, wenn Kulturen und politische Perspektiven zur Debatte stehen, dann fällt es offensichtlich vielen Medien schwer, diese journalistisch-handwerkliche Professionalität an den Tag zu legen.
Hat der Zuschauer überhaupt noch Möglichkeiten sich unabhängig zu informieren?
Er hat wenig Chancen, deshalb muss diese Frage an die Journalisten vor Ort gerichtet werden. Wenn überhaupt, haben sie die Möglichkeit sich ein differenziertes Bild zu machen. Eine andere Möglichkeit besteht in der Kooperation mit arabischen Medien und Journalisten. Solche Verbindungen zu Medien, die nach westlichen Standards Berichterstattung und nicht Propaganda betreiben, können sehr hilfreich sein, damit die Leser zumindest noch alternative Versionen bekommen. Das wäre schon einmal ein Gewinn.
Viele Menschen kennen Krieg doch nur so: grüne Blitze im Abendhimmel, aufgeregte Reporter an Bildtelefonen und die große rote Schrift „Showdown im Irak“. Welchen Anteil hat das Fernsehen an diesem entfremdeten Bild vom Krieg?
Im Fernsehen ähnelt die Kriegsberichterstattung mehr und mehr einer Sportsendung. Die Informationen und Ereignisse werden als Rohmaterial genutzt, um daraus eine fernsehgerechte Re-Inszenierung zu produzieren. Anders als im Sport geht es nicht um Begeisterung, sondern um Leben und Tod – das macht die Show noch dramatischer. Fernsehen ist eben eine Hure des Zeitgeists.INTERVIEW: MARKUS REUTER