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Archiv-Artikel

Die Putzfrau als Karriereschub

Die Selbstverpflichtung der Industrie zur Gleichstellung von Frauen in Chefetagen und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat nichts gebracht. Zu diesem Ergebnis kam die Konferenz World Women Work, die Freitag in Berlin zu Ende ging

aus Berlin ANETT KELLER

„Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen für unsere wichtige Sache“, säuselte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vom Podium den 400 Damen, und einem Dutzend Herren, entgegen. Kollege Hans-Olaf Henkel verblüffte mit dem Geständnis: „Natürlich brauchen wir auch Regulierung durch Gesetze.“ – Der Durchbruch in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter? Weit gefehlt. Hundt und Henkel müssen derzeit nicht fürchten, beim Wort genommen zu werden. Ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft, wie es die Exfamilienministerin Christine Bergmann auf den Weg bringen wollte, scheiterte 2001 am Widerstand der Industrie. Das Gesetz sollte den Frauenanteil in Chefetagen erhöhen, die Vereinbarkeit von Familie und Job unterstützen. Statt Gesetz bot die Wirtschaft eine freiwillige Selbstverpflichtung an, die Firmen zu aktiver Gleichstellungspolitik auffordert.

„Wie viel Regulierung braucht Gleichstellung?“, fragte die internationale Konferenz World Women Work, die am späten Freitag in Berlin zu Ende ging. Es ging auch um die Frage, wie es vorangeht mit der Verwirklichung der industriellen Selbstverpflichtung. „Kein Stück“, findet Heide Pfarr, Geschäftsführerin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Einige Firmen unternähmen zwar viel, andere dafür gar nichts. „Unternehmenskultur ist nach wie vor männlich“, urteilte Pfarr.

Wie männlich, das demonstrierte Hans-Olaf Henkel prompt. Für Frauen werde doch schon so viel getan, sagte der BDI-Vize und Präsident der Leibnitz-Gesellschaft, eines Zusammenschlusses von Forschungsinstituten. Er habe letztens in Potsdam ein Mitgliedinstitut besucht, sei von Katharina Reiche herumgeführt worden, der Exfamilienbeauftragten im Exschattenkabinett von Edmund Stoiber. Ihm sei aufgefallen, dass auch ein Kinderwagen im Raum stand – Henkel hatte bis dahin „so was noch nie erlebt“.

Auch die Erfolgseindrücke von Exstaatssekretärin Birgit Gantz-Rathmann, heute Leiterin der Abteilung Soziales bei der Deutschen Bahn, sind eher persönlicher Natur. Ihr eigener Weg zeige doch, dass „heute Frauen sind, wo früher eine reine Männergesellschaft war“. Das war dann einer Bankmanagerin aus Belgien im Auditorium zu viel: „Warum erzählen die hier nur Anekdoten?“ Sie vermisst Statistik, klare Gliederung und einen europäischen Blick. Und erzählt von Frauenquoten im belgischen Management und Betriebskindergärten. Natürlich sei das keinem belgischen Unternehmen aus Nächstenliebe eingefallen, da habe es Gesetze gebraucht.

Chefinnen in Unternehmen gibt es laut Zahlen der Unternehmensberatung Accenture – zum zweiten Mal Gastgeber von World Women Work – in den USA zu 40 Prozent. In Frankreich sind es 20 Prozent und in der Türkei 14 Prozent. In Deutschland gerade mal 5 Prozent. In keinem deutschen DAX-Unternehmen sitzt eine Frau im Vorstand. Laut einer Befragung, die Accenture 2002 durchführte, ist die männerdominierte Unternehmenskultur für Frauen das größte Hindernis auf dem Weg nach oben. An zweiter Stelle steht die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Als beste Strategie, einen höheren Anteil in Führungspositionen zu erreichen, nannten die meisten der Befragten die Einrichtung von Kindertagesstätten.

Die Crux bei der Sache: Die Frauen scheinen es schon aufgegeben zu haben, einen Teil des Daseins, der sich Familie und Haushalt nennt, an ihre Männer abzugeben. Für diesen Aspekt scheinen auch die Konferenzteilnehmerinnen – mehrheitlich Unternehmensberaterinnen – blind zu sein. „Ja Gott“, sagte etwa Treuhilde von Alten-Schnappauf, Ehrenpräsidentin der „Mütter aller Nationen“, „wenn die Frauen Karriere machen, haben wir doch einen Doppelverdienerhaushalt. Dann stellen Sie halt eine Wirtschafterin ein.“ Die Lösung mit dieser zudem noch arbeitsplatzschaffenden Maßnahme wurde mehrfach favorisiert. Immer, wenn davon die Rede war, war die Lösung automatisch weiblich.