: Kalkulierte Klischees
Mit „Fleetwood Mac“ zum Bowling: Die Folk-Punk-Eklektizisten „Camper Van Beethoven“ heute in der Fabrik
Das einzige einem Hit ähnliche Stück von Camper Van Beethoven erfuhr unlängst in Michael Moores Bowling for Columbine eine späte Wiederentdeckung: „Take The Skinheads Bowling“. Was die CVB-Hymne mit Moores reformerischen Ambitionen gemeinsam haben könnte, ist eine ganz eigene Form von Schalk. Während aber der Moralist Moore über seine Anliegen selten im Unklaren lässt, war die Band um Sänger David Lowery nicht zuletzt geprägt von Ambivalenzen und einem ironischen Umgang mit vielfältigen Quellen.
Ihren klassischen Indie-Rock montierten CVB mit Einsprengseln anderer Genres und folkloristischen Versatzstücken: Anspielungsreicher Punk traf auf Ska traf auf Country traf auf Begräbnis- oder Tanzmusik aus Osteuropa, Südamerika, dem Nahen oder Fernen Osten. Mit entsprechenden geographisch inspirierten Titeln versehen, ließen die Stücke der ersten drei Alben klischierte Vorstellungen von Weltgegenden anklingen, nicht nur räumlich denkbar weit entfernt von der heimatlichen kalifornischen College-Landschaft: Das Santa Cruz der 80er Jahre ist beschrieben worden als gleichermaßen geprägt von blühenden alternativen Lebensweisen wie durch seine isolierte Lage.
Die Band beging bei all ihrem vermeintlichen Exotismus nie die Fehler anderer, noch entschiedener weltmusikalisch Interessierter: So gingen Camper Van Beethoven nie auf die Suche nach Authentizität oder gar Seele des Fremden, vielmehr schienen sie sich der Aufgesetztheit und Oberflächlichkeit ihres Klangtourismus immer bewusst; irgendwie folgerichtig war da, dass Lowery später zum Mitglied der Münchener Freiwilligen Selbstkontrolle wurde: Die befasste sich ja, ob in Oberbayern oder dem US-amerikanischen Südosten, nicht zuletzt mit kultureller Tradition, Identitätssuche und der trügerischen Sicherheit vermeintlicher Wurzeln.
Andererseits näherten sich CVB mit ihrer pseudo-ethnographischen Perspektive immer wieder auch dem so genannt Eigenen, wenn sie etwa die kalifornische Hardcore-Kapelle Black Flag oder die (späteren) Indie-Stars Sonic Youth in Polka- oder Honky Tonk-Formaten coverten. Letzter derartiger Streich der nach gut einem Jahrzehnt wiedervereinigten Band: Die komplette Neueinspielung eines Fleetwood Mac-Albums (Tusk), 1987 unter denkbar merkwürdigen Umständen entstanden, verschollen, und erst unlängst veröffentlicht. Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Fabrik