Rasterfahndung als Stolperkurs

Datenschutzausschuss hört Bericht über die Jagd nach Schläfern. Abgeordnete aller Parteien üben harsche Kritik an Innensenator Körting

Von 58.032 Rohdatensätzen sind in 97 Fällen die Akten auch heute nicht vernichtet

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat gestern im parlamentarischen Datenschutzausschuss harsche Kritik einstecken müssen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA, so die nahezu einhellige Meinung der Abgeordneten, ist die Berliner Polizei bei der Suche nach möglichen terroristischen „Schläfern“ in der Hauptstadt in ihre Rasterfahndung „regelrecht reingestolpert und reingeschlittert“.

Zuvor hatte Berlins Datenschutzbeauftragter Hansjürgen Garstka seinen „Sonderbericht über die Durchführung besonderer Formen des Datenabgleichs (Rasterfahndung)“ erläutert – mit einem „vernichtenden Ergebnis“, wie Alexander Ritzmann (FDP) wertete. Danach hat die Polizei ihre Datenerhebungen bei Universitäten anfangs ohne jede Rechtsgrundlage erhoben und sei zunächst „nicht in der Lage gewesen“, einen Antrag beim Amtsgericht zu stellen, „der den notwendigen Anforderungen entspricht“, sagte Garstka. Erst nach Einschaltung seiner Behörde sei es im dritten Anlauf Wochen später gelungen, einen gerichtsfesten Antrag zur Durchführung der Rasterfahndung zu formulieren. Von den ursprünglich 58.032 „Rohdatensätzen“ männlicher arabischer Studenten oder Beschäftigten von 44 privaten und öffentlichen Stellen waren schließlich noch 114 „Prüffälle“ übrig geblieben, die vom Staatsschutz mit herkömmlichen Methoden abgeklärt wurden. Gefunden wurde dabei niemand.

Dennoch sind in 97 Fällen die Akten auch heute nicht vernichtet, obwohl „keine konkreten Hinweise auf Straftaten bestehen“, wie Innensenator Körting erklärte. Hier gehe es nun darum, sie für einen Abgleich mit anderen Landeskriminalämtern bereitzuhalten. Vermutlich Ende März sei auch dieser Vorgang beendet.

„Die Durchführung wirft kein gutes Licht auf die Rasterfahndung“, resümierte Steffen Zillich (PDS) seine Kritik. Wolfgang Wieland von den Bündnisgrünen hieb in dieselbe Kerbe: „Leitende Beamte sollten die Rechtsgrundlage kennen. Das ist nicht zu viel verlangt.“ Auch Wolfgang Trapp (CDU) schloss sich dieser Kritik an. Er bescheinigte dem Innensenator noch einigen Lernbedarf in Sachen Rasterfahndung.

Anfängliche „Mängel“ räumte auch Körting ein, trotzdem sei der Ablauf damals „richtig, verhältnismäßig und gut gemacht“ gewesen, meinte der Senator. Auch die Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten habe „gut geklappt“.

Garstka beklagte dagegen, dass er über den Start der Rasterfahndung erst einen Tag später über die Universitäten Kenntnis erhielt. „Vor und in der Regel auch während der Rasterfahndung“ habe es an der im Polizeirecht vorgesehenen zeitnahen Unterrichtung gefehlt, bemängelte er. Ein gute Note gab Garstka den Fahndern nur bei dem, im Vergleich mit anderen Bundesländern, „zurückhaltenden Vorgehen“ und beim Umgang mit den Daten während des eigentlichen Ablaufes der Rasterfahndung. Hier habe man hausinterne Sicherheitsmaßnahmen getroffen, „die teilweise über das allgemein übliche Maß hinausgingen“. Nach dem Willen der Abgeordneten sollen die Datenschützer künftig so früh wie möglich eingeschaltet werden.

OTTO DIEDERICHS