Der Berlinale fehlt ein Poster

Auf mysteriöse Weise verschwindet auf dem Potsdamer Platz ein zwölf Quadratmeter großes Antikriegsplakat des Berliner Künstlers Kurt Jotter. Berlinale-Leitung weist Verdacht zurück

von MATTHIAS BRAUN

Kurt Jotter ist sauer. Bei eisiger Kälte kletterte der Berliner Künstler gestern auf einem Baugerüst herum, das er selbst am Freitag mitten auf dem Potsdamer Platz aufgestellt hatte. Eigentlich sollte hier ein riesiges Filmplakat hängen, mit dem er gegen den Irakkrieg protestieren wollte (siehe Foto). Doch das 12 Quadratmeter große Kunstobjekt ist weg. Geklaut. Nur Stunden nachdem es aufgehängt war.

„Das ist eine neue Form von Kulturvandalismus“, schimpfte der Künstler gestern. Angesichts des leeren Gerüsts sagte er: „Eine unterschwellige Angst vor den Amerikanern bestimmt zurzeit das politische Klima in Deutschland.“ Diese Angst vermutet er als Motiv hinter dem Diebstahl. Doch wer das Plakat gestohlen hat, weiß er nicht. Gewesen sein, könnten es viele, sagt er.

Schon bevor Jotter am Freitag Gerüst und Plakat aufstellte, hatte er Schwierigkeiten, seine Installation überhaupt in der Nähe des Berlinale-Geländes zu zeigen. Das Tiefbauamt hatte ihm den Marlene-Dietrich-Platz verboten. Denn für das Areal hat die Berlinale während des Festivals ein Sondernutzungsrecht. „Eine Diskussion über den Irakkrieg war während dieser Halligalli-Veranstaltung wohl nicht erwünscht“, sagte Jotters zur taz.

Schließlich durfte er Gerüst und Plakat wenige hundert Meter weiter auf dem Potsdamer Platz aufstellen. Genehmigt vom Tiefbauamt. Nach getaner Arbeit erhielt er jedoch einen Telefonanruf von einer für den Potsdamer Platz zuständigen Polizistin. „Herr Jotter, Sie haben ja nun doch Ihr Plakat aufgestellt. Das findet die Berlinale-Leitung überhaupt nicht gut. Haben Sie denn jetzt eine Genehmigung?“, habe diese gefragt, erinnert sich der Künstler. Er habe der Beamtin die schriftliche Genehmigung zugefaxt und später nichts wieder von ihr gehört. Kurz darauf war das Plakat weg. Eine Berlinale-Pressesprecherin wies jeden Verdacht von sich: „Auf dem Potsdamer Platz ist ein Plakat ohne unser Zutun auf- und später abgehängt worden.“

Gestern knotete Jotter anstelle des Plakats ein Transparent an das Gerüst. „Wahrheit kann man nicht verschwinden lassen“, hat er draufgeschrieben. In den nächsten Tagen will er Spenden sammeln, denn bislang hat ihn die Aktion 4.000 Euro gekostet. „Wenn genug zusammenkommt, kann ab nächsten Freitag ein neues Plakat hängen“, sagte der Künstler.