Kein Öl, kein Krieg

Die deutschen Ökoverbände können von der Umweltbewegung der USA lernen: Die Energiewende ist eine Strategie zur Kriegsvermeidung. Öl muss ein knappes Gut werden

Die Umweltbewegung darf nicht versäumen, sich jetzt aktiv in der Friedensbewegungzu engagieren

In den letzten Wochen und Monaten sind wir Zeugen der Entstehung einer globalen Friedensbewegung geworden. Millionen Menschen hat die Ablehnung eines möglichen Krieges gegen den Irak auf beiden Seiten des Atlantiks auf die Straßen getrieben. Dass die Proteste bereits vor dem Beginn des Krieges ein derartiges Ausmaß angenommen haben, ist ebenso einmalig und ermutigend wie die Breite der Bündnisse, die diese Proteste tragen. So haben sich in den USA zentrale Organisationen aus der Bürgerrechts-, Frauen-, Gewerkschafts- und Umweltbewegung in der „Win Without War“-Koalition zusammengeschlossen. Für diejenigen, die sich in der Geschichte sozialer Bewegungen in den USA auskennen, ist es nicht überraschend, dass die National Organization of Women (NOW) und die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) mit von der Partie sind. Umso mehr aber überrascht, dass der Name Sierra Club mit auf der Liste steht. Der Sierra Club ist mit seinen 700.000 Mitgliedern eine der größten und zugleich eine der ältesten und etabliertesten Umweltorganisationen der USA. Von seinem Profil her ist er am ehesten mit dem Naturschutzbund Deutschland zu vergleichen. Dass sich in den USA Umweltorganisationen wie der Sierra Club aktiv am Protest gegen den Krieg beteiligen, erklärt sich aus dem Hauptgrund dieses angekündigten Krieges: dem Öl!

Wie Thomas L. Friedmann in der New York Times kürzlich zu Recht bemerkte, bestreiten außerhalb der Bush-Administration auch Befürworter des Kriegs nicht mehr, dass es bei einem möglichen Irakkrieg in erster Linie um die Sicherung des Zugangs und der Kontrolle des Öls in der Golfregion geht. Der Irak ist mit 115 Milliarden Barrel nachgewiesener Ölreserven nach Saudi-Arabien mit 256 Milliarden Barrel das Land mit dem größten Erdölvorkommen. Da diese Schätzungen aber aus den 70er-Jahren stammen, vermuten Experten, dass im Irak noch bisher unentdeckte Ölfelder existieren und der Irak unter Umständen sogar über bis zu 250 Milliarden Barrel Öl verfügt. Wenn es den USA gelingen sollte, nach einem Krieg im Irak ein USA-freundliches Regime zu installieren, könnten dort innerhalb von fünf bis zehn Jahren durch massive Investitionen immense Förderkapazitäten aufgebaut werden. Damit könnte die in den nächsten Jahren stark steigende Nachfrage nach Öl gedeckt und zugleich die Macht der Opec gebrochen werden.

Die Opec, die Organisation der Erdöl exportierenden Länder, kann derzeit sehr zum Verdruss der USA und westlicher Ölkonzerne den Weltmarktpreis für Öl maßgeblich bestimmen. In anderen Worten: Der Krieg gegen den Irak ist gedacht als Garant für einen stabilen Weltmarktpreis für Öl auf niedrigem Niveau. Denn nur so können die USA tiefgreifende Schritte zu einer erhöhten Energieeffizienz und damit zu einer Reduktion ihrer CO2-Emissionen „vermeiden“. Immerhin tragen die USA mit 24 Prozent zum Welt-CO2-Ausstoß bei, obwohl sie nur 4,6 Prozent der Weltbevölkerung stellen.

Und hier kommt die amerikanische Umweltbewegung ins Spiel: Noch nie zuvor war so offensichtlich, dass Amerikas (sehr ungleich verteilter) Wohlstand auf der Verschwendung knapper fossiler Ressourcen basiert. Diese sind derzeit aber zu großen Teilen dem Zugriff der US-amerikanischen Energiekonzerne entzogen, und dieser Zugriff soll jetzt mit militärischer Gewalt erzwungen werden. Die Alternative zu dieser zutiefst zynischen Logik ist offensichtlich: Die USA können in ihrer Energiepolitik umsteuern und eine radikale Energiewende in Richtung Energieeffizienz und erneuerbarer Energien einleiten. „Wenn wir unsere Abhängigkeit vom Öl reduzieren, dann erhöhen wir nicht nur die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Wir verringern damit die Gefahr eines Krieges, und wir begrenzen damit den Ausstoß von Treibhausgasen und die daraus folgende Erderwärmung“, erläuterte Larry Fahn, Vizepräsidentin des Sierra Club Journalisten die Motivation, sich der „Win Without War“-Koalition anzuschließen.

Was dem Sierra Club in den USA möglich ist, sollte den Umweltverbänden in Deutschland ein Leichtes sein. Denn unabhängig davon, ob sich Deutschland letztlich aktiv am Krieg beteiligen wird oder nicht, ob es einen Angriff im UN-Sicherheitsrat absegnet oder nicht, es wird – wie andere westliche Industrienationen auch – Nutznießer dieses Krieges sein, wenn das Kalkül der US-Regierung aufgehen sollte. Denn auch wir profitieren von diesem perversen Kollektivgut – einem mittelfristig stabilen Ölpreis auf niedrigem Niveau, jeder einzelne Autofahrer ebenso wie unsere gesamte Ökonomie. Aus dieser Komplizenschaft leitet sich auch eine moralische Verpflichtung zu mehr als dem bloßen Widerstand gegen den Krieg ab. Unsere Abhängigkeit vom Öl drastisch zu reduzieren muss Kern jeder kriegsvermeidenden Strategie sein.

Wenn wir unsere Abhängigkeit vom Öl reduzieren, dann verringern wir die Gefahr eines Krieges

Dieser Zusammenhang zwischen Krieg und Frieden auf der einen Seite und dem Einstieg in ein solares Zeitalter auf der anderen Seite bietet die optimale Grundlage für ein aktives Engagement der Umweltbewegung in der Friedensbewegung. Was zunächst wie eine Bürde aussieht, ist in Wirklichkeit eine Chance. In der überwältigenden Ablehnung des Irakkrieges liegt die großartige Chance, die Akzeptanz von Energiewende und Ökosteuer durch die Verbindung zum drohenden Krieg zu erhöhen. Die Umweltbewegung darf dieses „window of opportunity“ nicht einfach verschlafen.

Die großen deutschen Umweltverbände haben sich bislang zum Krieg noch nicht geäußert. Lediglich Greenpeace hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich mit spektakulären Aktionen als Teil der Antikriegsbewegung positioniert. Doch die Verbindung zur Energiewende stellt auch Greenpeace nicht her.

Doch noch besteht die Chance, jetzt wichtige Impulse zu setzen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Kampagne „Kein Krieg – ich steige um“ mit einer Reihe von konkreten Vorschlägen, wie ein solcher Umstieg erfolgen kann: umsteigen auf Ökostromanbieter, umsteigen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel et cetera. Oder einer massiv beworbenen Kampagne für die alte Idee der Ökosteuer: Energiesparen belohnen und dafür Arbeitskosten senken und in die Energiewende investieren – auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eine lohnende Idee.

Auch Befürworter eines Krieges bestreiten nicht, dass es in erster Linie nur um den Zugang zum Öl geht

Der erste Schritt liegt auf der Hand: Umweltorganisationen müssen sich in die Aktivitäten der Bewegung gegen den Irakkrieg einbringen und zur Demonstration am 15. Februar mobilisieren. Das Ziel ist klar – der Diskurs muss gewendet werden: Öl darf nicht länger als frei verfügbar und daher als möglichst billig gelten. Es muss als knappes und daher notwendigerweise teures Gut verstanden werden – und deshalb müssen sich unsere Gesellschaft und Wirtschaft davon abkoppeln.

RASMUS GROBE/FELIX KOLB