Gipfel-Gefangene im Hungerstreik

In Schweden wächst die Kritik an politischen Urteilen nach dem EU-Gipfel in Göteborg

STOCKHOLM taz ■ In einen Sympathie-Hungerstreik traten am Samstag acht im Zusammenhang mit den Krawallen auf dem EU-Gipfel in Göteborg im Juni 2001 verurteilte Gefangene in drei schwedischen Haftanstalten. Sie wollten damit den 32-jährigen Anders E. unterstützen, der in drei Instanzen trotz fragwürdiger Beweislage wegen „gewaltsamem Aufruhrs“ zu zehn, im Revisionsverfahren zu sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Er war bei seinem Strafantritt am 22. Januar in einen Hungerstreik getreten.

Auf seinen Gesundheitszustand nahm die Leitung der Haftanstalt in Linköping zunächst keine Rücksicht. So kam er zur Strafe, weil er zu geschwächt war, um zu arbeiten, am Donnerstag sieben Stunden ohne Wasser in Arrest. Erst als Medien diese Behandlung am Wochenende aufgriffen, änderte die Leitung der Haftanstalt diese Linie, bedauerte „Fehler“ und kündigte an, der Hungerstreikende dürfe heute einen Arzt treffen.

Anders E. war wegen angeblicher Steinwürfe auf ein leeres Polizeiauto aufgrund teils widersprüchlicher Aussagen von zwei Polizisten verurteilt worden. Diese meinten ihn an einer Sportjacke erkannt zu haben. Diese Jacke trugen aber mindestens drei weitere Personen in seiner Nähe. Die Zeugen dieses Verfahrens waren Teil einer Spezialtruppe von Zivilfahndern, welche in mehreren Gerichtsverfahren gegen DemonstrantInnen auftraten und deren Aussagen von Prozessbeteiligten und Medien in Frage gestellt wurden.

Die Untersuchung einer Regierungskommission über die Gipfelereignisse kam unlängst zu einer umfassenden Kritik des Polizeieinsatzes und kritisierte „grundsätzliche strukturelle Mängel“ der Polizeiarbeit. In Schweden mehren sich nun die Stimmen, eine Kommission zur Überprüfung der prozessualen Aufarbeitung des Gipfels einzusetzen. REINHARD WOLFF