: Ohren zu und durch
Kinder und Studenten in Horn leiden unter dem Lärm der nahen Bahnlinie, aber daran wird sich nichts ändern. Zwar baut die Bahn Lärmschutzwände, fühlt sich aber nicht überall zuständig
von Felix Zimmermann
„Tierisch laut“, sagt Sonja Dederer sei es im Kindergarten Horn, wenn auf der nahen Bahnstrecke ein Zug vorbeifahre. Nein, sie sagt sogar: „Wenn ein Zug vorbeidonnert.“ Das geschehe ungefähr alle sechs bis sieben Minuten, und dann sei es so laut, dass sich manche Kinder die Ohren zuhielten; andere hätten Angst. Und wenn die Erzieherinnen den Kindern Geschichten vorlesen, dann müssten sie pausieren, so lange der Zug auf Höhe des Kindergartens unterwegs ist.
Es handelt sich um die viel befahrene Strecke zwischen Bremen und Hamburg. Bislang breitet sich der Schall ungehindert aus, Lärmschutzwände gibt es nicht. Jetzt sollen sie gebaut werden, was den Kindergarten beruhigen könnte – aber: das Gegenteil ist der Fall, denn dort, wo der Kindergarten liegt, wird die Lärmschutzwand eine Lücke haben, betroffen davon ist auch ein Studentenwohnheim. Eine ehemalige Bewohnerin, Sogand Amini, sagt, es sei dort „viel zu laut, jeder dort beschwert sich“, vor allem beim Lernen und nachts störten die Züge sehr.
Die Erzieherin Sonja Dederer hat mit Anwohnern eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Lärmschutzwand Horn“ gegründet, ein programmatischer Name, der das Ziel gleich formuliert. Das Studentenwerk hat wegen des Wohnheims ebenfalls bereits Schritte unternommen, aber es könnte schwierig werde, die Bahn zum Lückenschluss zu bewegen, denn der Wunsch nach Ruhe scheitert im Falle des Kindergartens und des Wohnheims an Grundsätzlichem.
Dieses Grundsätzliche ist dargelegt im „Lärmsanierungsprogramm an Bundesschienenwegen“. Ein Programm des Bundes, mit dem Maßnahmen zur Lärmminderung an Eisenbahnstrecken finanziert werden. 100 Millionen Euro stehen dafür jedes Jahr zur Verfügung. Das Programm kommt aber nicht überall dort zur Anwendung, wo Lärm durch die Bahn entsteht. Es ist begrenzt auf Strecken, die an Gebäuden entlangführen, die vor 1974 gebaut worden sind. Die Bahn beruft sich auf das damals verabschiedete Bundesimmissionsschutz-Gesetz.
Da sowohl Kindergarten als auch Studentenwohnheim nach Angaben der Bahn erst nach diesem Stichjahr gebaut worden sind, ist das Unternehmen an der Stelle nicht für die Lärmminderung zuständig. Man hält sich da ganz schlicht an die Verordnung, sagt Egbert Meyer-Lovis, einer der Bahn-Sprecher in Hannover.
Beim Senator für Umwelt und Verkehr kennt man den Fall der Lärmschutzlücke in Horn. Man kennt dort ohnehin viele Stellen, an denen sich Menschen in Bremen am Lärm der Bahn stören. Derzeit stelle man diese Fälle alle zusammen, sagt Ralf Werse, der beim Senator Referatsleiter für den Immissionsschutz ist. Ende des Jahres will er denjenigen Bahn-Mitarbeiter zum Gespräch bitten, der für die Lärmminderung in Bremen zuständig ist. Wehrse will erreichen, dass die Bahn sich flächendeckend zum Schallschutz bekennt und tätig wird. Da zählt das Verursacherprinzip, sagt er.
Wehrse hofft, dass die Bahn bis dahin auch detaillierte Lärmdaten ihrer Strecken im Bremer Stadtgebiet zur Verfügung stellt, damit die in den Bremer Lärmaktionsplan einfließen können. Die fehlen bislang noch, weshalb der Aktionsplan unvollständig ist. Bis November muss der Senat den Plan der EU vorlegen, die Maßnahmen im Kampf gegen Lärm fordert.
Notfalls, sagt Wehrse, wird er den jetzigen Plan vorlegen. Sobald die Bahn die Daten übermittelt, wird er vervollständigt. Der Kindergarten in Horn wird aber wohl mit dem Lärm leben müssen.