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Archiv-Artikel

Systemangepasste Schleicher

betr.: „CDU-Mitglieder zeigten Distanz zur SED“, taz vom 11. 10. 08

Ich habe mich immer gewundert, wieso sich das, was ich als Ex-DDRler erlebt habe, so schlecht mit dem in Einklang bringen ließ, was die Blockflöten von ihrer „Opposition“ erzählten. Nun ist mir ein Licht aufgegangen – ich habe gar nicht in derselben DDR wie diese Damen und Herren gelebt, es war eine Parallelwelt, in der alles ein bisschen anders ablief.

Denn in meiner Welt habe ich die meisten Blockflöten als systemangepasste Schleicher erlebt: Es gab an unserer EOS Lehrer, die der LDPD angehörten und uns stramm rote Flötentöne beibrachten – wer aus der Reihe tanzte, für den gab es schnell ein klärendes Gespräch beim Direktor … Da war der CDUler aus der Nachbarschaft, der ganz genau aufpasste, ob auch an den Feiertagen ordentlich geflaggt war und sich bei „den Genossen von der Kreisleitung“ einschleimte, wo es nur ging und der an der POS den Pionierleiter gab. Und dann erinnere ich mich noch an den Bauernchef im Kreis, für den sich alles um die Beschaffung von DDR-Luxusgütern drehte. Die Aufzählung könnte ich noch lange weiterführen, aber es ermüdet.

Vermutlich glaubt Frau Schipanski, dass „die da unten“ sowieso vergesslich sind. Nun, ich erinnere mich noch sehr genau daran. Deshalb finde ich es eine bodenlose Frechheit, denkenden Menschen einen Antrag wie den der CDU vorzusetzen und sich als Retter der Demokratie zu gerieren. Eine Bitte habe ich: Untersucht für mich doch mal, in welchem Parteibüro Frau Schipanski seit der Wiedervereinigung wie Dornröschen auf dem Sofa geschlafen hat, denn nur so lässt sich erklären, dass sie die derzeitige Arbeitslosigkeit der sozialistischen Misswirtschaft anlastet! Allerdings fürchte ich, dass sie sich als beratungsresistent erweisen wird, auch wenn ihr jemand erklärt, wie lange wir jetzt schon die bunte Republik im Ganzen haben und wem wir die „blühenden Landschaften“ verdanken …

CLAUDIA NESTLER, Königswalde