peter unfried über Charts : Sterbende Kinder im Dieselruß
Das neue Auto (3): Ein Drei-Liter-Audi? Was Experten einem Familienmann raten
Was bisher geschah: Ein Familienmann kehrt von einem USA-Aufenthalt moralisch verwahrlost zurück. Er will einen Minivan zu kaufen. Ein Ökö-Killer! Ein zivilisierter Angehöriger arbeitet daran, den Irren für die Gesamtproblematik fossile Brennstoffe zu sensibilisieren. Daraufhin testet er einen Spar-3 L-Audi A 2.
Tagsüber strich ich um den Drei-Liter-Audi A 2 herum, der immer auf der Oranienstraße, Berlin-Kreuzberg herumsteht. Begrapschte ihn bisschen mit der Hand. Schon geil!
Aber drei Liter hin oder her, Diesel blieb ein fossiler Brennstoff. Und dem A 2 fehlte der Rußpartikelfilter. Und dann noch das Energie verschlingende Alu.
Was tun? Ich wollte doch nichts Böses – bloß ein Auto, in das zwei Große und zwei Kleine und zwei Koffer passen. Ich entschloss mich, die Sache von den fünf kompetentesten Organisationen oder Politikern klären zu lassen. Das sind bekanntlich: der ADAC, der VCD, das Umweltministerium, der SPD-Experte Hermann Scheer und der grüne Experte Hans-Josef Fell. (Von Rezzo Schlauch wurde mir in Leserbriefen abgeraten.)
Beim VCD gibt man die Liste der umweltfreundlichsten Autos heraus, allerdings nur der in Serie hergestellten. Umweltfreundlichster Minivan ist der Zafira Erdgas. Für zwei Große und zwei Kleine würde er keinen Erdgas-Zafira empfehlen, sagt Gerd Lottsiepen, der Listenzuständige. Bei dem hohen Verbrauch (acht Liter) sei der Emissionsvorsprung von Erdgas zu gering. Er könne sich einen Opel Corsa ECO vorstellen, einen Benziner (ich sah nach: Listenplatz 5).
Der 3 L-Audi? Sei für eine Großfamilie möglicherweise „nicht ausreichend“, befürchtet der ADAC. Das höre sich doch schon nach „Richtung Minivan“ oder nach Kombi an. Da gebe es „intelligente Lösungen“, auch für „normal umweltbewusste Menschen“.
Im Bundesumweltministerium findet man Dreiliterautos „auch gut“. Minister Trittin fährt ja Erdgas-Dienstwagen („Aber nicht nur“). Grade habe man da die Steuerbefreiung bis 2020 verlängert. Erdgas sei emissionsarm, leise und „Brückentechnologie“ zum Wasserstoffauto.
Hm – also doch Erdgas?
Ich rief Hermann Scheer an, den SPD-Bundestagsabgeordneten und hauptberuflichen „Solarpapst“ (Stuttgarter Zeitung).
„Erdgas empfehle ich nicht“, brummte Scheer. Klar verursache es beim Verbrennen weniger Emissionen als Erdöl. Es sei aber auch ein fossiler Brennstoff. Und das Emissionsproblem entstehe bei der Förderung und beim Transport.
In zwei, drei Jahren habe man synthetische Biotreibstoffe. Wer bis dahin nicht ohne Auto auskommen könne oder wolle, solle es bei Bedarf bei Car-Sharing mieten, so wie er. Oder einen gebrauchten Golf umrüsten auf kaltgepresstes Pflanzenöl.
Das war es, was mein engster Verwandter mir auch dauernd einreden wollte. Beides. Das sei „supersexy“. Einsparen und umsteigen auf erneuerbare Energien! Und Pflanzenöl: extrem umweltfreundlich. Während Biodiesel chemisch aufgearbeitet wird, kommt Pflanzenöl praktisch vom Acker in den Tank.
Hans-Josef Fell, Energieexperte der grünen Bundestagsfraktion, sagte mir, er sei seit Jahren glücklich mit einem umgerüsteten Golf. Das Pflanzenölfass hat er zu Hause in der Garage (der steuerbefreite Liter um die 50 bis 60 Cent). Der Golf ist allerdings nur für große Strecken und die ganze Familie. Kürzere Strecken fahren die Fells mit ihrem Solarmobil (z. B. Twike, siehe Foto, Neupreis 14.000 Euro).
Wunderbar. Jetzt nur noch den Segen Trittins einholen. Aber: „Die Umrüsterei ist nicht, was wir anstreben“, sagt das Umweltministerium. Pflanzenöl? Eher nicht, sagt der VCD. Den ADAC frage ich besser nicht.
Inzwischen träume ich von Gesamtenergiebilanzen, grübele über die energieintensive Herstellung von Aluminium für Dreiliterautos, beschwöre den serienmäßigen Rußpartikelfilter für Diesel, den bisher nur die Franzosen haben. Sinniere darüber, ob man eine reine Luft hier erkaufen darf mit schlimmen Verunreinigungen in den Erdgasförderländern. Lese über wegweisende Untersuchungen und diese ad absurdum führende Gegenuntersuchungen.
Ich grüble: Erst mal einsparen? Oder auch gleich umsteigen? Ich weiß: Wenn die wichtigsten Politiker, Behörden und Verbände über eine gemeinsame Basis hinaus („Drei Liter sind besser als acht Liter“) ein derart pluralistisches Meinungsbild abgeben, so spricht das bestimmt für unsere Demokratie. Aber: Es erleichtert die Entscheidung nicht.
Nachts schütteln mich neuerdings Albträume. Erst sehe ich vom Dieselruß dahingeraffte Kinder. Dann brennende Erdölfelder. Und am Ende erscheint an einem feuerroten Himmel ein apokalyptischer Hermann Scheer und donnert ein mächtiges „Es ist auch dein Krieg!“.
Nächste Woche: Auch das noch – bei der Erwähnung der Worte Solarmobil und Pflanzenöl rasten Schwiegereltern aus.
Ein Corsa? kolumne@taz.de