: Gummifabrik bedroht
Hamburgs Stadtbild könnte bald um ein Wahrzeichen ärmer sein: Die Fabrik der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie soll abgerissen werden. Der Investor plant einen Neubau
VON CHRISTIN SPRINGER
Den Harburger Binnenhafen erleben die meisten nur im Vorbeifahren, wenn sie mit der S-Bahn die Elbbrücken zwischen Wilhelmsburg und Harburg überqueren. Mit Kaimauern, Klappbrücken, Eisenbahnschienen und Speichern hat dort das Industriezeitalter seine Spuren hinterlassen. Eine der ältesten Fabriken ist die der Harburger Gummi-Kamm-Compagnie, der heutigen New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie (NYH).
Weil die NYH bis Ende des Jahres 2008 ihre Produktionsstätten nach Lüneburg verlagern will, ist der teilweise denkmalgeschützte Fabrikkomplex zwischen Nartenstraße und Neuländer Straße nun vom Abriss bedroht. Der Hamburger Investor und Anteilseigner der NYH, Bernd Menzel, plant auf dem Firmengelände einen Gewerbepark. Statt die rund 100 Jahre alten Fabrikhallen zu sanieren, hat Menzel angekündigt, einen Neubau errichten zu wollen. Der Grund für den Abriss sei die Gesundheitsgefahr, die von den Gebäuden ausgehe. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten besagt, dass das Mauerwerk mit krebserregenden Nitrosaminen belastet sei. Die über die Harburger Rundschau verbreitete Aussage Menzels, er habe bereits einen Antrag auf Abriss gestellt, ließ sich bislang allerdings nicht bestätigen. Menzel war für die taz nicht zu erreichen.
Einem Abbruch der Gummifabrik müsste das Denkmalschutzamt zustimmen, allerdings setzt sich dieses für den Erhalt der roten Backsteinbauten ein. Der Fabrikkomplex sei „eines der eindrucksvollsten Beispiele der Industriearchitektur im heutigen Hamburg“, sagt Christine Onnen, beim Denkmalschutzamt für Inventarisation zuständig. Ein zweites Gutachten steht noch aus. Erst wenn sich die Schadstoffbelastung dort bestätigt, möchte sich das Amt zu Lösungsansätzen äußern.
Weniger zurückhaltend zeigten sich Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg und Baudezernent Jörg Penner. Bereits im Sommer überlegten sie, die Fabrik abzubrechen und nur die Fassade zu erhalten – eine Lösung, die Jürgen Ellermeyer vom Museum der Arbeit ablehnt. Der Kurator, der für die NYH zuständig ist, plädiert für den Erhalt der denkmalgeschützten Gebäude. Natürlich solle niemand unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten, sagt Ellermeyer. „Aber die Abbruchdrohungen sind nicht akzeptabel, bevor nicht genau und transparent geprüft wird, wie wesentliche Teile der Fabrik erhalten werden können.“ Die NYH sei von großer Bedeutung, schließlich habe Europas Kunststoffindustrie in Harburg begonnen.
Auch die am Binnenhafen ansässige Kulturwerkstatt Harburg engagiert sich für den Fortbestand des Fabrikgebäudes. „Der Wille ist entscheidend“, sagt Gorch von Blomberg vom Vorstand des Vereins und verweist auf Gebäudeteile der Phoenix-Werke, die ähnlich kontaminiert waren oder sind und die heute mit der Sammlung Falckenberg Ausstellungsräume beherbergen. Für von Blomberg zählen die Gebäude der NYH zu den „stadtbildprägenden Objekten, ohne die das Gebiet keinen Reiz hätte“.
In den vergangenen Jahren haben sich am Harburger Binnenhafen vermehrt Betriebe der Hightech-Branche angesiedelt. Firmen sind in umgebaute Silos und Speicher eingezogen, angezogen vom Charme der Industrielandschaft. Der Investor gewinne, wenn er Altes erhalte, sagt Museumsmann Ellermeyer. „Der Markt honoriert Geschichtsbewusstsein.“
Nun kann sich zeigen, ob es der Stadt Hamburg ernst ist, wenn sie bei ihrem „Sprung über die Elbe“ den Wert historisch gewachsener Stadtstrukturen preist.