Auf nach Bagdad

Mit ihrer Aktion „Human Shield“ wollen 60 Aktivisten im Irak gegen einen möglichen Krieg demonstrieren

ISTANBUL taz ■ Der Empfang war feierlich. Mit Nelken und einer Ansprache des Botschafters wurden die Teilnehmer der Aktion „Human Shield“ vor zwei Tagen in der irakischen Botschaft in Ankara empfangen. „Ihr rettet die Menschlichkeit“, sagte der Botschafter und überreichte die Visa für die Weiterreise nach Bagdad.

Rund 60 Personen waren es, die vor zwei Wochen in zwei roten Doppeldeckerbussen aus London gestartet sind, um in Bagdad als „menschliche Schutzschilde“ US-Präsident Bush davon abzubringen, Bomben auf den Irak werfen zu lassen. Initiator ist der US-Ex-Marine Steve O’Neel, der nach seinen Erfahrungen im ersten Golfkrieg seinen Dienst quittierte und ins Lager der Kriegsgegner wechselte.

O’Neel richtete sein Hauptquartier in London ein und trommelte über das Internet für seine Aktion. Als seine Truppe in Ankara in der irakischen Botschaft vorsprach, war ihr Spiritus Rector nicht dabei. O’Neel wollte per Flugzeug in der Türkei zu seiner Truppe stoßen, wurde jedoch zurückgewiesen, weil er über keinen Pass verfügte. Seinen US-Pass hatte er demonstrativ verbrannt und seine Ersatzpapiere als „Weltbürger“ wollte die türkische Polizei nicht akzeptieren. Statt O’Neel stießen türkische Unterstützer zu der Gruppe, die heute oder morgen in Bagdad ankommen soll.

Die Aktion „Human Shield“ hatte in der türkischen Friedensbewegung für Debatten gesorgt, weil viele bezweifeln, dass einige hundert westliche Aktivisten die US-Regierung beeindrucken können. Zudem missfielen vielen O’Neels Finanz-und Organisationsideen. Für 6.000 Euro wurde der Trip als Pauschalreise angeboten. Die türkische Friedensplattform – ein Bündnis von über hundert Nichtregierungsorganisationen – rief zu der Reise nach Bagdad nicht auf.

Statt sich bei O’Neel „all inclusive“ einzukaufen, machten sich andere unabhängig auf den Weg in den Irak. Schon vor einigen Tagen sorgte in Istanbul ein Deutscher für Aufsehen. Mit einem kleinen Lkw tourte er durch die Stadt und gastierte bei einer Friedensveranstaltung. Er hätte nicht länger untätig herumsitzen können, erzählte er der türkischen Presse, aber er sei kein Selbstmörder. Wenn der Krieg beginne, würde er den Irak verlassen. JÜRGEN GOTTSCHLICH