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Archiv-Artikel

Schutz der Ehe ist nicht absolut

Das Bundesverfassungsgericht lässt bei der Krankenversicherung „punktuelle“ Kostennachteile für Kinder gut verdienender verheirateter Eltern zu. Aus dem Grundgesetzgebot zur Förderung der Familie könne man keine konkreten Ansprüche ableiten

von CHRISTIAN RATH

Eheliche Kinder dürfen bei der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden, wenn ein Elternteil privat versichert ist und über ein hohes Einkommen verfügt. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht und bestätigte damit die bestehende Rechtslage.

Geklagt hatte eine Familie aus Bayern. Die Mutter ist als Angestellte bei einer gesetzlichen Ersatzkasse versichert. Der Vater muss sich als Beamter nicht krankenversichern, sondern bekommt 80 Prozent Beihilfe vom Staat, für die restlichen 20 Prozent der Arztkosten hat er sich privat versichert. Die Eltern wollten, dass ihr Sohn beitragsfrei in der gesetzlichen Kasse mitversichert wird.

Dem steht allerdings das Sozialgesetzbuch entgegen (§ 10 Abs. 3 SGB V). Dort sind Kinder verheirateter Eltern von der beitragsfreien Familienversicherung ausgeschlossen, wenn der besser verdienende Elternteil privat versichert ist und mehr als rund 3.400 Euro pro Monat verdient. Die Eltern hielten diese Regelung für verfassungswidrig, da sie Eheleute gegenüber unverheirateten Paaren benachteilige. Wäre sie mit dem Vater des Kindes nicht verheiratet, so argumentierte die Frau, hätte ihr Sohn problemlos bei ihr mitversichert werden können.

Gestern wurde die Verfassungsbeschwerde der bayerischen Familie nun abgelehnt. Aus dem grundgesetzlichen Gebot zur Förderung der Familie könnten Eltern keine konkreten Ansprüche ableiten. Wie der Staat den „Familienlastenausglich“ konkret ausgestalte, bleibe ihm überlassen. Deshalb durfte er, so Karlsruhe, wirtschaftlich besonders leistungsfähige Eltern von der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern ausschließen.

Die Richter räumten zwar ein, dass die bestehende Regelung verheiratete Eltern gegenüber ledigen Eltern „punktuell“ benachteilige. Diese Benachteiligung sei jedoch hinzunehmen, weil Ehepaare bei einer „Gesamtbetrachtung“ nicht schlechter gestellt seien als die Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Bestimmte Vorteile der Familienversicherung kämen zum Beispiel ausschließlich Verheirateten zugute. So sind etwa nicht berufstätige Ehepartner automatisch in der gesetzlichen Krankenversicherung des erwerbstätigen Gatten mit erfasst, unverheiratete Lebenspartner bleiben dagegen außen vor.

Wäre die gesetzliche Regelung von Karlsruhe beanstandet worden, hätte der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten gehabt. Entweder er hätte die bisher ausgeschlossenen Kinder in die kostenlose Familienversicherung einbezogen. Dadurch wäre aber diese als „versicherungsfremd“ geltende Leistung für die Kassen noch teurer geworden. Alternativ hätte der Bundestag aber auch die nichtehelichen Kinder in gleicher Konstellation von der kostenlosen Mitversicherung ausschließen können. Die Kassen hätten dann allerdings nachweisen müssen, dass eine Mutter nicht allein erzieht, sondern in einer Partnerschaft lebt. Vermutlich sind die Versicherer froh, dass ihnen entsprechende Nachforschungen erspart blieben.

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