: Jukebox
Mit Wirkungsmacht auf das subjektive Wohlbefinden
Sie dreht sich, immer weiter, auch im 60. Jahr seit ihrer Erfindung, selbst wenn sie bereits vor 20 Jahren mit der Einführung der CD eigentlich hätte beerdigt werden sollen. Der CD aber geht es gar nicht gut, und die gute alte Vinylschallplatte hat dagegen wieder Zukunft. Etwa eine Million Platten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft. In diesem sollen es noch mehr werden. Das ist nun nicht wirklich viel, doch immerhin hat sich die Schallplatte damit aus der marktwirtschaftlich vollkommenen Bedeutungslosigkeit herausgearbeitet, als ihr Anteil an den Tonträgern kaum mehr in Promillezahlen zu messen war.
Damit ist die Vinylschallplatte ein schöner Beweis dafür, dass der Markt immer mit Irrationalismen rechnen sollte. Denn es waren doch die Plattenkäufer, die die Platte zurückgeholt haben, aus Sentimentalität, weil sie mit diesem Medium aufgewachsen sind und weil die Schallplatte mit dem ganzen Drumherum eben zum Fetisch taugt, den man mit der Musik will und den die Musik auf einer CD wohl so nicht leistet. Die körperlos gewordene komprimierte Datenmenge Musik schon gar nicht.
Fetischismus: Auch die religionsähnliche Verehrung von Objekten mit besonderer Bedeutung für die eigene Identität, denen besondere Wirkungsmacht auf das subjektive Wohlbefinden zugetraut wird. (Wikipedia)
Das ist so durchaus richtig, und dann stellt man seine Platten doch nur in den Schrank und hängt sie nicht an die Wand. Zum Fetisch taugt sie gerade auch wegen des Covers, das unbedingt zur Platte dazugehört. Zur Kunst aber ist sie trotzdem nicht geworden, obwohl man sich bei der Covergestaltung angestrengt hat. So ziemlich alles wurde ausprobiert, um den Kunden zum Kauf einer Platte aufzufordern, grafisch und mit beigegebenen Gimmicks. Das aber sind die Tricks der Marktschreier von der Straße, Pop und damit der Schallplatte angemessen, während sich die elfenbeinturmige Kunst doch immer abseits hielt. Als Medium der bildenden Kunst hat die Schallplatte jedenfalls nur eimen sehr bescheidenen Platz eingenommen.
Prominentester Gegenbeweis ist nicht von ungefähr der Popkünstler Andy Warhol. Er produzierte, gestaltete und vermarktete das Debüt vom The Velvet Underground. Die Kunst als Schallplatte. Die „Bananenplatte“ darf deswegen nicht bei der „High Fidelity“-Austellung fehlen, bei der ab Dienstag im Kulturforum noch weitere Künstlerschallplatten aus der Sammlung Marzona zu sehen sind. THOMAS MAUCH