Boxer wie wir

Schlechte Witze können ihren Songs nichts anhaben, Berühmtheiten finden sie öde, und ein Astra in der Eckkneipe ist ihnen lieber als jedes frische Beck’s Gold in irgendeiner In-Bar: Die Hamburger Punkrockband Oma Hans tritt heute im Bastard auf

von GERRIT BARTELS

Wenn es denn ein Witz sein soll, muss man ihn nicht verstehen; man muss ihn nicht mal lustig finden: eine Band, die sich Oma Hans nennt, nun ja. Immerhin erinnert mich so ein Name an meine Jugend in den Achtzigern, als ein Mitschüler namens Hans-Peter wahlweise „Schwanz“ oder „Die Oma“ genannt wurde. Wie es zu „Schwanz“ kam, lässt sich aus einer zeitlichen Distanz von zwanzig Jahren nicht mehr nachvollziehen. „Die Oma“ aber stammte von einem schon älteren Herren mit einem eigentümlichen Oberlippenbart, der nur „Obelix“ genannt wurde, aus der Wolfenbütteler Halbwelt kam, schon mal im Gefängnis gesessen hatte und sich beim Fußball mit ein paar Gymnasiasten gewissermaßen resozialisierte. Für Obelix war Hans-Peter einfach eine lahme Ente, weshalb er ihn auf dem Fußballplatz immer kurz und knapp „Die Oma“ rief.

Doch zurück zu der Hamburger Punkrockband Oma Hans und ihren Witzen: Auch der mit dem nebenstehenden Bandfoto ist so einer, der sich möglicherweise vor einer Pointe fürchtet, vielleicht auch nur auf die Vorgängerband des Oma-Hans-Vorturners und Sängers Jens Rachut und seines Gitarristen Andreas Neß verweist, auf Dackelblut. Vier Boxer, drei davon coupiert, dass heißt mit verstümmelten Ohren, wie die Hunde lieb habende Kollegin weiß. Der mit den verbliebenen Schlappohren ist ein Weibchen und trägt die Bezeichnung „bass“, weil in der Band, ja, genau, mit der Ex-Die-Braut-Haut-Ins-Auglerin Peta Devlin eine Frau den Bass spielt.

Witze und alte Geschichten hin, Anspielungen her, es geht auch einfacher, also popkultureller: Oma Hans mögen keine Personality-Shows. Was für sie zählt, ist einzig und allein Punkrock: ungefiltert, ehrlich, ewig, eigen. Da aber Punk inzwischen genauso ein Dummy-Term ist wie Pop, muss man den von Oma Hans genauer umreißen, am besten ex negativo: Oma Hans spielen Punkrock, der weit weg ist von der Musik, die die Toten Hosen machen oder Die Ärzte, auch von Green Day oder The Offspring, der nicht massenkompatibel ist und keine Stadien und Waldbühnen zu beschallen vermag.

Genauso wenig hat dieser Punk mit Modekollektionen und anderem Edeltrash zu tun oder auf der erdabgewandten Seite der Geschichte nichts mit den traurigen Gestalten, die in der Berliner U-Bahn gerne laut „Ficken“ rufen und stolz darauf sind, aus St. Pauli zu kommen (rütteln, schütteln, würgen!).

Und zu guter Letzt haben Oma Hans auch nichts auf Tasche mit der Erinnerungsseligkeit eines Jürgen Teipels und seines „Verschwende-Deine-Jugend“-Buches, sind sie doch nach Angeschissen, Blumen am Arsch der Hölle, Dackelblut und Kommando Sonnenmilch die mindestens fünfte und neueste Band von Jens Rachut innerhalb von fünfzehn Jahren. Dieser Mann steht auf Häutungen, auf Erfrischungen, denn er weiß: „Nichts ist für immer.“ Sag Ja zur Tradition, sag Nein zu Retro, sag Ja zur Kneipe um die Ecke, sag Nein zu Beck’s Gold. Punk als Nischenkultur, als Lebenshaltung, als lokales Heldentum. Der aber seine Seelenverwandten kennt: Die Boxhamsters (Gießen), EA 80 (Mönchengladbach), Terrorgruppe (Berlin). Auf Oma Hans’ erstem Longplayer „Trapperfieber“ beschreibt Rachut es so: „Gut gelaunt und angesoffen, gehe ich heute aufs Konzert, hör da Bands zu, die sehr gut sind und ziemlich unbekannt. (…), das ist meine kleine Nische, wenn’s bekannt wird, hau ich ab, denn fast alles, was berühmt wird, ist so öde.“

Ihn allein beim Singen solcher Zeilen einmal live gesehen zu haben, ist schon ein Erlebnis – Rachut ist einer, der sich wirklich mit Hingabe verausgabt. Genau, immer geben und geben. Auch die Oma-Hans-Songs sind wie bei Dackelblut oder Blumen am Arsch der Hölle treibend bis zur Erschöpfung, aber nie high speed. Sie haben etwas von Solitären wie den Wipers oder Social Distortion, sind leicht pathetisch, bisweilen schwermütig-punkkritisch („Anarchie ist nur noch für mich, Wannenstöpsel im Baumarkt zu klauen“) und manchmal kryptisch. Dass ihnen kein schlechter Witz etwas anhaben kann, versteht sich dabei von selbst.

Oma Hans, heute, ab 22 Uhr, Bastard, Kastanienallee 5–7, Prenzlauer Berg