: Alles Banane dank Gentechnologie?
Stimmt alles nicht, sagen Forscher aus Lateinamerika zu der Warnung, die Bananen seien vom Aussterben bedroht
PORTO ALEGRE taz ■ Emile Frison ist ein rühriger Mann. Der Direktor des „Internationalen Netzwerks für die Verbesserung der Banane und der Kochbanane“ im französischen Montpellier arbeitet seit Jahren an der Entwicklung schädlingsresistenter Bananensorten. Seit anderthalb Jahren leitet der Belgier ein internationales Forschungsprojekt zur Entschlüsselung des Bananengenoms. Ab 2005 soll das Genom die Züchtung resistenter Genbananen ermöglichen, die laut Frison „helfen könnten, in den Entwicklungsländern Hunger und Armut zu überwinden“.
Den Kampf gegen den Hunger schreiben sich Biotech-Forscher seit jeher gern auf die Fahnen. Schützenhilfe bekommen sie dabei von der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO): Die Gentechnik könne „Produktion und Produktivität in der Landwirtschaft, im Forstwesen und in der Fischerei verbessern helfen“ und zu höheren Erträgen in jenen Ländern führen, die nicht genug Nahrungsmittel für ihre Bevölkerung anbauen können, heißt es in einer FAO-Grundsatzerklärung aus dem Jahr 2000.
Mit Hilfe der Gentechnik soll auch jene resistente Wunderbanane entwickelt werden, nach der Forscher seit gut 80 Jahren vergeblich fahnden. Als Ende der Fünfzigerjahre die Exportbanane des Typs Gros Michel von der Panamawurzelkrankheit dahingerafft wurde, konnte sie durch die Cavendish-Banane ersetzt werden. Die hat sich bis heute gehalten – gegen den Pilz „Schwarze Sigatoka“, der die Blätter attackiert und die Erträge um bis zu zwei Drittel schrumpfen lässt, wehrt man sich mit der chemischen Keule. Auf den Exportplantagen der US-Multis Chiquita, Dole und Del Monte, die den Welthandel dominieren, wird jährlich 40- bis 50-mal gesprüht.
Nun warnte das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist in einer Titelgeschichte, die Banane könne in zehn Jahren aussterben, denn „trotz ihres fraglos phallischen Aussehens hat sie seit Tausenden von Jahren keinen Sex mehr gehabt“. Daher sei die „genetisch altersschwache“ Frucht Schädlingen hilflos ausgeliefert. Die Cavendish, aber auch Dutzende Sorten, die in Asien, Afrika und Lateinamerika selbst konsumiert werden, bekämen es nun mit einer neuen Variante der Panamakrankheit zu tun.
Da das Erbgut der Banane seit rund 10.000 Jahren praktisch unverändert geblieben ist, sind auch herkömmliche Neuzüchtungen extrem aufwändig. Auf den Feldern der Honduranischen Stiftung für Agrarforschung (FHIA) etwa bestreuten Arbeiter 30.000 Bananenstauden ein Jahr lang mit Pollen einer fruchtbaren asiatischen Wildbanane.
Das Ergebnis waren vier bis fünf keimende Samen, aus denen die Forscher mehrere neue Sorten mit solch wohlklingenden Namen wie Goldfinger oder Mona Lisa entwickelten. Weder die Schwarze Sigatoka noch die Panamakrankheit können ihnen etwas anhaben. Doch leider schmecken sie eher nach Apfel als nach Banane. In großem Maßstab werden sie bisher nur in Kuba angebaut.
Selten hätten Gentech-Befürworter solch gute Karten gehabt wie bei der Banane, schließt der New Scientist messerscharf. Zudem werde wegen der Sterilität der krummen Südfrucht die Kontaminationsgefahr bei Genbananen minimal sein. Die Biotechnik sei die „einzige Hoffnung für die Banane“, wird Emile Frison zitiert – andernfalls drohe das Aussterben „des Lebensretters hungriger und verarmter Afrikaner und des beliebtesten Produkts auf den Supermarktregalen der Welt“.
Für den FHIA-Forscher Héctor Aguilar ist das „Panikmache“. Auch die FAO sieht das Ende der Banane noch nicht gekommen, zumal die Cavendish nur ein Zehntel der Weltproduktion ausmacht. FAO-Funktionär Eric Kueneman plädiert für die Erweiterung der genetischen Vielfalt durch Neuzüchtungen, doch „nicht unbedingt mit Gentech.“
Mittelfristig müssten sich die westlichen Konsumenten wohl an andere Sorten gewöhnen, meint Luadir Gasparotto von der staatlichen Forschungseinrichtung Embrapa im brasilianischen Manaus, die seit 1975 resistente Bananensorten entwickelt. In Amazonien würden schon seit dem Einfall der Schwarzen Sigatoka vor fünf Jahren resistente Keimlinge verteilt, und zwar mit „exzellenten Ergebnissen“: „Die Produktivität ist deutlich höher als früher.“ Der New-Scientist-Kronzeuge Frison räumte gegenüber dem britischen Sender BBC ein, von „Aussterben“ zu reden, sei wohl „ein bisschen übertrieben“. Allerdings müsse mehr geforscht werden, gerade im Interesse der Armen.
Für den Brasilianer Gasparotto, der nichts gegen gentechnische Verfahren hat, ist das Hauptproblem dennoch eher sozioökonomischer Natur: „Die meisten Kleinproduzenten in den armen Ländern können sich resistente Keimlinge und die nötige technische Beratung, also einen Bananenanbau auf hohem technischen Niveau, einfach nicht leisten.“ GERHARD DILGER