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Bundestag auf Antikriegskurs

Bundeskanzler Schröder will sich weiter für friedlichen Weg zur Lösung des Irakkonflikts einsetzen. Auch viele Abgeordnete von Union und FDP verweigern zwei Nato-treuen Resolutionen ihre Zustimmung

BERLIN/GENF taz ■ Seit der Amtszeit von Willy Brandt ist kein deutscher Bundeskanzler wegen seiner Außenpolitik so scharf kritisiert worden wie Gerhard Schröder – gestern aber zeigte sich, dass die Reihen der Opposition keineswegs so fest geschlossen sind, wie die öffentlichen Äußerungen ihrer Spitzenpolitiker vermuten lassen könnten. Zwei Anträge der Unionsfraktion, mit denen im Bundestag ein Kurswechsel der deutschen Irakpolitik erzwungen werden sollte, fanden nicht einmal im Lager der Opposition die Zustimmung aller Abgeordneten.

Nur 268 Parlamentarier stimmten für eine Entschließung, in der die Außenpolitik der Regierung scharf kritisiert wurde. 301 Abgeordnete stimmten dagegen, drei enthielten sich. Für den Vorstoß, der Bundestag solle sich die proamerikanische Erklärung von ursprünglich acht europäischen Staats- und Regierungschefs zu Eigen machen, votierten sogar nur 231 Abgeordnete, obwohl Union und FDP zusammen über 295 Sitze verfügen. Bei dieser Abstimmung gab es 302 Gegenstimmen und 37 Enthaltungen.

In der vorangegangenen Debatte hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder ein weiteres Mal eindringlich für eine friedliche Lösung der Irakkrise geworben. „Es ist nicht zu spät, eine friedliche Entwaffnung zu erreichen“, sagte er in seiner Rede, für die er von SPD und Grünen Standing Ovations erhielt. Die CDU-Chefin Angela Merkel richtete hingegen heftige Attacken an die Adresse des Kanzlers: „Sie sind auf einem Irrweg, und das seit Wochen.“

Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) übte scharfe Kritik an Äußerungen seines US-Amtskollegen Donald Rumsfeld, in dem dieser die Bundesrepublik wegen ihrer Ablehnung eines Irakkrieges in einem Atemzug mit Staaten wie Kuba und Libyen genannt hatte: „Das ist unakzeptabel, das ist unfair, das ist mehr als ungehörig.“

Schröder hatte zuvor an den deutschen Beitrag im internationalen Kampf gegen den Terrorismus erinnert: „Wenige Nato-Mitglieder leisten das, was wir leisten.“ Nach den USA stelle Deutschland derzeit das zweitgrößte Truppenkontingent in internationalen Militäreinsätzen. Der Kanzler fügte hinzu: „Geleistete Solidarität schafft aber auch das Recht – ich sage: die Pflicht! – zu differenzieren.“

Heute könnte sich klären, ob die Initiative von Kanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac für eine Ausweitung der Inspektorentätigkeit im Irak eine Chance hat. In New York wird mit Spannung der zweite Bericht der UN-Waffeninspektoren erwartet. Diplomaten bei den Vereinten Nationen schließen nicht aus, dass die USA und Großbritannien direkt im Anschluss an den Bericht eine Resolution vorlegen, mit der ein militärisches Vorgehen gegen den Irak autorisiert werden soll. Als Begründung könnte auf Verstöße der Regierung in Bagdad gegen die UN-Resolution 1441 verwiesen werden. Die Sitzung wird vom deutschen Außenminister Joschka Fischer geleitet.

Ein Bericht über verbotene irakische Raketen hat die Vorwürfe gegen Saddam Hussein weiter verschäft. Laut UN-Experten verfügt der Irak über Raketen mit einer Reichweite von weit mehr als den erlaubten 150 Kilometern. Großbritanniens Premier Tony Blair sagte, sollten sich diese Informationen bestätigen, handle es sich um eine „Verletzung der UN-Resolution 1441“.

GAUS/AZU/KLH

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