Der Biolek den Brei verdirbt

Ab Samstag gibt’s auch im deutschen Fernsehen, was das TV-Kochen anderswo revolutioniert hat: Jamie Oliver brutzelt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist: „The Naked Chef“ (11.55 Uhr, RTL 2)

von JENNI ZYLKA

Jamie betatscht die Zwiebeln. Er betatscht den Käse, streichelt den Speck, fingert eine Hand voll Meersalz aus der Tüte und vermischt alles in einer Schüssel. Natürlich mit den Fingern. Jamie Oliver, 27, seit ein paar Jahren der bekannteste Koch Großbritanniens, muss sein Essen vor allem anfassen, bevor er es serviert. Wenn man aus Versehen in die –ab heute endlich im deutschen Fernsehen ausgestrahlten – Kochsendungen mit Oliver zappt, könnte man auch denken, man sei in einer MTV-Reality-Soap gelandet: Junge hippe Menschen wirbeln in unordentlichen Londoner Lofts herum, stolpern über schnelle Schwenks und rasante Schnitte, und dazu laufen Portishead und Oasis.

Aber das sind Jamie, seine Frau Jules und irgendwelche Freunde. Freunde wird er genug haben: So verdammt lecker sieht das aus, was Oliver unter Zuhilfenahme von pro Rezept ungefähr 100 Liter Olivenöl zubereitet. Olivenöl ist Jamie Olivers Muttermilch. „Jetzt schnappst du dir noch’n kräftigen Schuss Olivenöl, und dann ist das doch zum Niederknien“, sagt er zum Beispiel über sein Chili-con-Carne-Dressing – weil RTL 2 leider nicht den Schneid gehabt hat, die „Genial Kochen“-Shows im Original, samt Londoner Akzent und Jamies merkwürdigem Lispeln, auszustrahlen und zu untertiteln. Sondern hat alles zielgruppengerecht synchronisiert. Die Zielgruppe – und auch jene, die Oliver in der gesamten englischsprachigen Welt zum „King of Chefs“ kürte –, das sollen vor allem Menschen mit unorthodoxen Kochauffassungen sein. Sie gucken seine Shows, kaufen seine Bücher, besuchen sein Londoner Restaurant „Fivteen“ und sind manchmal echte, kreischende Fans. Und ob man nun die gewollt wackelige Produktion und Jamies manchmal auch zum Weglaufen, nicht zum Niederknien animierendes Gefasel mag oder nicht: Er bringt definitiv eine Note in die zumindest in Deutschland von Biolek dominierte Kochlandschaft, die nach Knoblauch und Öl und spritzigem Geschmacks-GAU duftet. Die Raffinesse besteht bei Jamie nicht, wie beim landläufigen Rezepteabfilmen, in schwierigen Souffleekunststücken. Oliver spielt vor allem mit Geschmack und Geschmacksverstärkern: In das Crème-Fraîche-Dressing quetscht er in einer (natürlich) Olivenölpfanne karamellisierte halbe Zitronen, die Yorkshire-Pudding-Portionen lässt er „zu riesigen Dingern“ aufgehen, weil er genau weiß, wann das Öl die richtige Temperatur hat. Und den Rosmarin, den er für die Band Jamiroquai aus dem Garten des Sängers pflückt, schmeißt er in die Zwiebelfüllung und quietscht: „Unschlagbar, whow!“

Ernährungsbewusst, na ja, bei Jamie gibt es fast immer Fleisch, Beef, sagt er, und die stets ein wenig im Weg hängende Zungenspitze gibt ihm ein etwas weggetretenes Aussehen. Wie ein halb bekiffter und halb bekokster, ansatzweise fülliger Popkochgott. BSE, Fettreduzierung, Acrylamid, alles kein Thema in Jamies Küche. Stattdessen haut der Mopedfahrer lieber noch ein bisschen mehr Crème Double rein und lässt alles schön braun brutzeln.

Jede Naked-Chef-Show, die ihren Namen übrigens vom Begriff „naked“ im Sinne von unprätentiös und pur ableitet, erzählt eine Geschichte. So begleitet die Kamera Jamie beim Umziehen und schaut zu, wie er für die braven Umzugshelfer das beste Steak-Sandwich der Welt zusammenbastelt; später am Abend kommen die Freunde zur Einzugsparty und Jamie bewirtet sie.

Natürlich ist es ein echter Hype, der schon seit Jahren in Großbritannien und Nordamerika um den Mann gemacht wird, und der jetzt auch nach Deutschland schwappen soll. Aber es gibt schlimmere Hypes um weniger leckere Themen. Außerdem: Wenn Jamies Glamourgekoche ein paar mehr Menschen, die früher sogar Wasser anbrennen ließen, zum Ausprobieren bringt, dann kann das nur gut sein. Vielleicht laden die einen ja sogar mal zum Essen ein.