Peace & Love & Unity

Innerhalb von ein paar Wochen fanden zwei der größten amerikanischen Rapper den Weg nach Berlin. Vor kurzem war Jay-Z hier und jetzt ist es Nas, der in der Columbiahalle auftrat und die Menge mit „Bring HipHop back“ als große Einheit beschwor

von ANDREAS HARTMANN

Amerikanische HipHop-Superstars bekommt man in Europa nur selten zu Gesicht. Entweder sie lassen sich groß ankündigen und kommen dann nicht, was natürlich echt glamourös ist, oder sie kümmern sich von vornherein nur um die Geschäfte daheim. Zu den Geschäften gehören bei manchen HipHop-Impressarios ja immerhin inzwischen auch das Betreiben von Tankstellen, Pornoversänden oder Klamottenlabels – da kann der Chef nicht mal so für ein paar Wochen ausfliegen.

Überraschend ist es somit schon, dass innerhalb von ein paar Wochen zwei der größten amerikanischen Rapper den Weg nach Berlin gefunden haben. Vor kurzem war Jay-Z hier und jetzt Nas. Beide kommen aus New York und sind sich spinnefeind, so hört man zumindest. Feindschaften werden im HipHop gerne kultiviert, denn das gibt Presse und Presse ist gut fürs Geschäft. Es geht um die Frage, wer der beste Rapper ist, der von allen respektierte, aber kaum geliebte Jay-Z oder Nas, das ewige Talent, das nach Jahren des Darbens mit „God’s Son“ endlich wieder eine allseits gefeierte Platte abgeliefert hat.

Beim Auftritt von Nas in Berlin war von dieser Battle erwartungsgemäß nichts zu spüren. Dieses Hick-Hack unter New Yorker Rappern wird lieber daheim zur Bühnenreife gebracht, zumal auch gerade dort der neue Superrapper 50 Cent droht der lachende Dritte des Wettstreits zu werden. In Berlin war eher Peace & Love & Unity angesagt. Damit kam Nas gut an in der nicht besonders vollen Columbiahalle. Er beschwor die Menge und sich als Einheit gegen alle, die etwas gegen HipHop haben, rief nicht nur einmal: „Bring Hip Hop back“, Floskeln, die immer begrüßt werden, und gerierte sich überhaupt als Star, der das Leben auf der Straße nicht vergessen hat.

Er, Nas, ist längst ein Klassiker des HipHop und so gestaltete sich auch sein Auftritt. Das ging los mit der Bühnenchoreografie: DJ hinten, Star vorne, links und rechts am Bühnenrand zwei schwergewichtige, finster dreinblickende Bodyguards, die aussahen wie Brüder, die ihren dritten, den kleinen Mike Tyson, zu Hause lassen mussten. Dramaturgisch wurde ebenfalls all das geboten, was Berliner B-Boy-Herzen höher schlagen lässt. Nas holte seine Hits raus, die Leute kannten sein Zeugs, grölten mit und waren natürlich endglücklich, wenn sie „He-ho“ machen durften oder der DJ zeigte, was er so draufhat. Zwischendurch traten zwei Breakdancer auf, die aus dem Konzert eine Art Jam machen sollten, und die ebenfalls eifrig beklatscht wurden.

Seitens eines HipHop-Publikums gibt es ja immer drei Körperbewegungen. Entweder man nickt nur mit dem Kopf, oder man lässt den rechten Arm rhythmisch nach vorne kreisen oder man lässt den rechten Arm rhythmisch nach vorne kreisen und bewegt dabei den ganzen Körper. Alle drei Körperbewegungen sind Ausdrücke unterschiedlicher Intensitätsgrade. Man kann nun nicht sagen, bei Nas hätte man mehr Kopfnicker als extatische Armschwenker gesehen, nein, das Programm wechselte sich schön ab und forderte mal mehr, mal weniger Schweiß und Körpereinsatz. Einen Ausreißer gab es jedoch: die Ballade. Da flüchteten die Jungs aber schnell in Richtung Bierstand und es strömten die Pärchen nach vorne, als Nas, der harte Zarte, sanft rappte und das Publikum in totes Licht getaucht wurde.

Obwohl Nas die Erwartungen der meisten in der Halle wohl voll erfüllte, gab es in der Überleitung zur Zugabe einen schönen Beleg dafür, wie sehr amerikanische und deutsche HipHop-Kultur doch noch auseinander liegen. Es ertönte „In the air tonight“ von Phil Collins. Deutsche Rap-Fans würden sich lieber die Baseball-Cap richtigrum aufsetzen lassen, als freiwillig diese Melodie des Teufels zu hören, während amerikanische Rapper Phil Collins absolut cool finden. Erst als das Stück übergeleitet wurde in einen Nas-Track mit „In the air tonight“-Sample, wich die Verstörung aus den Gesichtern.