hamburg heute : Anonyma – Eine Frau in Berlin
Der Regisseur Max Färberböck hat das Leid der Frauen im Nachkriegsberlin verfilmt
Die Aufzeichnungen einer Anonyma sorgten für großes Aufsehen, als sie 2003 unter dem Titel „Eine Frau in Berlin“ in der „Anderen Bibliothek“ erschienen. Es sind die Tagebücher einer gutbürgerlichen Frau, die schildert, wie sie und andere Frauen die Massenvergewaltigungen durch die russischen Soldaten im Nachkriegsberlin erleben. Wie das Furchtbare alltäglich und ein Bestandteil des Überlebenskampfes im Sommer 1945 wird.
Erzählt wird in einem sehr lakonischen Ton, zu dem passt, was die Anonyma 1947 gesagt haben soll: „Keins der Opfer kann das Erlittene wie eine Dornenkrone tragen. Ich wenigstens hatte das Gefühl, dass mir da etwas geschah, was eine Rechnung ausglich“. Neben Verzweifelten, auch solchen, die sich das Leben nehmen, stehen Frauen, bei denen der Pragmatismus proportional zur Schlagfertigkeit ist: Ein Russki „aufm Bauch“ sei „nicht so schlimm wie ’n Ami aufm Kopf“, sagt eine Frau, die bei einem Volltreffer mit anderen Hausbewohnern verschüttet worden war.
Der Text wurde zu einem der großen Verkaufserfolge der „Anderen Bibliothek“ – bis seine Authentizität von der SZ in Frage gestellt wurde. Der Schriftsteller und Tagebuch-Experte Walter Kempowski bezeugte jedoch, dass es sich bei den Texten um Originale handeln müsse. Die waren bereits 1954 in den USA und Europa erschienen – nicht aber in Deutschland.
Regisseur Max Färberböck, der mit „Aimée und Jaguar“ bekannt wurde, hat die „Anonyma“ mit Nina Hoss in der Hauptrolle verfilmt, auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt. Heute ist Premiere in Hamburg, anschließend steht der Regisseur Rede und Antwort. GRÄ
Anonyma – Eine Frau in Berlin. Mit anschließendem Gespräch im Abaton-Kino, 19.30 Uhr