: Das Sparschwein der Sender
Nach den fetten Jahren knausern Deutschlands Fernsehveranstalter bei Promotion und Design. Das könnte sich im digitalen TV-Zeitalter rächen, weil sich die Sender schon heute viel zu ähnlich sehen
von WILFRIED URBE
„Die Krise ist auch teilweise herbeigeredet worden, jetzt stehen wir vor den Scherben.“ Markus Schmidt ist Geschäftsführer beiSevenSenses, einer der größten TV-Design-Agenturen Europas, derzeit noch Tochter der insolventen KirchMedia-Familie.
In Zeiten zusammengebrochener Werbemärkte, in denen alle Sender am Programm sparen, dürfen eben auch Design und Eigenpromotion nicht mehr klotzen: „Die Konjunktur braucht noch bis Mitte 2004, um sich zu erholen“, sagt Schmidt und ahnt, wohin die Reise führt: „Die gekürzten Budgets werden nicht wieder so schnell aufgestockt werden, wenn man feststellt, dass es mit weniger geht.“
Das war schon mal anders – und ist noch gar nicht so lange her. Nach Insiderschätzungen gab ein Sender wie RTL bis zu 150 Millionen Euro jährlich für die Produktion von Eigenwerbung, Programmtrailern und Marketingmaßnahmen aus, die Sendezeit für die eigene Promotion mit eingerechnet.
„Es gab einen richtigen Hype. Für einige Sender schien das Design wichtiger als das Programm zu sein“, sagt Ulrike Krieg, heute Geschäftsführerin der Hamburger Agentur DMC – Design For Media And Communication, die ale ehemalige „Leiterin ARD-Grafik“ das „Erste“ geprägt und der „Tagesschau“ ihr heutiges Design gegeben hat. Ihr Set-Design (vulgo: Studiodekoration) für das NDR-Medienmagazin „Zapp“ wurde 2002 vom Designer-Verband Eyes and Ears of Europe ausgezeichnet.
Das viele Geld vergangener Zeiten hatte allerdings eine paradoxe Wirkung: „Alles wird immer ähnlicher“, sagt Krieg, alle Sender wollten jung und modern sein, das Design näherte sich immer weiter an: „Alle haben sich an einem kuscheligen emotionalem Design orientiert: viele Leute, warme Farben, schön bunt“. Sie hofft, dass „sich künftig wieder mehr auseinander dividieren“ wird.
Die Rechnung für das bunte Einerlei wurde letztes Jahr präsentiert: 2002 sind die Design-Budgets der Sender nach Branchenschätzungen um durchschnittlich die Hälfte gekürzt worden. Deshalb fällt jetzt nicht die Hälfte aller Trailer und Plakate einfach ersatzlos weg: „Die Produktionspreise für Designs sinken auf dem freien Markt ja parallel zu den schrumpfenden Budgets“, sagt Alexander Hefter, Design-Chef beim ZDF. Aber natürlich werde sich die laufende Sparphase im Erscheinungsbild der Sender niederschlagen: „Diese Innovationsdichte und die Methode, sich permanent neu zu erfinden, das wird in dieser Form natürlich nicht weitergehen.“
Doch Vorsicht: „Sparen ist gut, aber eben kein Konzept“, mahnt Robert Eysoldt, der lange Jahre für die RTL-Werbung im eigenen Programm (im Branchensprech „On-Air-Promotion“) zuständig war, dann die RTL-Tochter House of Promotion (HOP) führte und sich jetzt mit seiner Firma Repack.tv selbstständig gemacht hat: „Wenn man um die Stärken des Senders weiß und diese in der Kommunikation klar rausstellt, ist die Gefahr, an der falschen Stelle zu sparen, zumindest gering.“
Die zusätzliche Tücke: Solche „Sparfehler“ würden derzeit noch nicht auffallen. Denn, so SevenSenses-Mann Schmidt: „Es braucht Zeit, die Zuschauer an eine Positionierung zu gewöhnen, eine dreimonatige Kampagne reicht da noch lange nicht aus.“ Und so dürfte sich erst in ein bis zwei Jahren zeigen, wer tatsächlich eine „strategische Einheit“ aus Kürzungenen und Kommunikationszielen geschaffen – oder am falschen Ende gespart hat. Solche Fehler wieder auszugleichen, so die Meinung vieler Branchenkenner, würde dann allerdings ein Vielfaches des heute Eingesparten kosten.
Denn die kommende Digitalisierung des Rundfunks in Deutschland wird zu einem weit größeren Senderangebot führen. Nur wer sich klar als Markenprodukt mit Wiedererkennungswert etabliert hat, kann nach Meinung der Branchen-Gurus auf den digitalen Plattformen über Antenne, Kabel oder Satellit bestehen. „Komfortable Positionen für den digitalen Fernsehmarkt werden jetzt erlangt. Bei einem sich weiter verschärfenden Wettbewerb wird eine Positionierung in Zukunft immer schwieriger“, so Markus Buchwald, Koautor der aktuellen Studien „Broadcast 2.0“ und „TV Workshop“ von Detecon International. Die Verringerung der Investitionen in Marketing und Design bringe demzufolge lediglich eine kurzfristige, aber umso riskantere finanzielle Entlastung der TV-Sender mit sich.
Dass man künftig auch nur mit minimaler Austattung arbeitet, scheint zumindest für Buchwald daher so gut wie ausgeschlossen. „Unserer Meinung nach wird immer der Bedarf bestehen, den Verbraucher auf den Service, das Programm und seine Highlights aufmerksam zu machen“, sagt auch die Geschäftsführerin des zweiten europäischen TV-Design-Dachverbandes Promax & BDA Europe, Carmen Alzner. Und gibt sich dennoch keinen Illusionen hin: „Weniger ist mehr – vielleicht ist das der Slogan für die nächsten Jahre.“