Das Problem, nein zu sagen

Fachkongress über Drogenkonsum Jugendlicher im UKE: Einstiegsalter sinkt. Therapiekonzepte für Erwachsene dürfen nicht einfach auf Kinder übertragen werden

Die Erwachsenen machen es sich laut Rainer Thomasius leicht mit den Jugendlichen: Auf deren Suchtprobleme würden zumeist schlicht die Konzepte übertragen, die für drogenabhängige Erwachsene entwickelt worden sind. Dabei sei es „zynisch“, Kindern und Jugendlichen beispielsweise zum „safer use“ zu raten, sagte der UKE-Professor gestern. Welche Therapiekonzepte stattdessen für junge Menschen geeignet sind, debattieren Fachleute auf der Tagung „Süchtige Kinder und Jugendliche – Prävention und Therapie des Substanzmissbrauchs“, die heute in Hamburg beginnt. Veranstaltet wird der dreitägige Kongress von der Drogenambulanz für Jugendliche und junge Erwachsene und der Kinder-Psychiatrie des UKE.

Die Suchtexperten des UKE sind besorgt über die Entwicklung des Drogenkonsums von Jugendlichen. Besonders intensive und riskante Konsummuster hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen – und das Einstiegsalter sinkt. Thomasius macht dies besonders am Cannabis-Konsum fest: 18 Prozent der unter 16-Jährigen hätten bereits Joints geraucht, von den 18- bis 24-Jährigen seien es 38 Prozent. Er räumt jedoch ein, dass es für 90 Prozent aller Jugendlichen, die einmal zu illegalen Drogen greifen, ohne weitere Konsequenzen bleibt. Nur ein kleiner Teil bekommt ernsthafte Suchtprobleme: Leistungsstörungen, körperliche Erkrankungen, psychische Defekte und Kontaktstörungen. Und für diese Jugendlichen, so Thomasius, weise das Hilfesystem „erhebliche Mängel auf“.

Dass Jugendliche immer früher zu Drogen greifen, erklärt Michael Schulte-Markwort, Oberarzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKE, mit steigenden Anforderungen an Mädchen und Jungen. Weit klaffe die Schere auseinander zwischen der gesellschaftlichen Realität einer unsicheren Zukunft und der allein auf Spaß reduzierten Gegenwelt, wie sie beispielsweise in Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ vermittelt wird. Junge Mädchen und Jungen seien deshalb oftmals in psychischen Konflikten. Und die, so Thomasius, müssten in der Drogentherapie behandelt werden. „Die Kinder müssen so viel Persönlichkeitsstärke vermittelt bekommen, dass sie zu Drogen nein sagen können.“ Als besonders effektiv habe sich dabei Familientherapie erwiesen, in die auch die Eltern mit einbezogen werden.

Strikt lehnen die UKE-Suchtexperten „safer use“-Kampagnen und Substitution mit anderen Wirkstoffen ab. „Sicherer Substanzgebrauch“ würde eine Entscheidungsfreiheit für oder gegen den Konsum voraussetzen. Darüber würden Kinder aber nicht verfügen. Laut Thomasius konsumieren Jugendliche „nicht, um Spaß zu haben, sondern um ihre persönlichen Schwächen und Konflikte zu bewältigen“. ELKE SPANNER