: Ein Akteur hinter der politischen Bühne
Uri Lupoliansky ist der erste orthodoxe Bürgermeister von Jerusalem – bis zum Oktober, wenn neu gewählt wird
Ein „Bürgermeister für alle“ möchte er sein, der neue Chef in Jerusalems Rathaus. Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt wird mit Uri Lupoliansky ein ultraorthodoxer Jude die Verwaltung übernehmen. „Niemand sollte einen Menschen aufgrund seiner Lebensführung und seiner Kleidung beurteilen“, versuchte der Anfang 50-Jährige seine Gegner in der Stadtverwaltung zu beruhigen, als er diese Woche die Nachfolge von Ehud Olmert antrat. „Ich werde allen Bürgern Jerusalems zur Verfügung stehen und alles daran setzen, um das Gefühl der Diskriminierung und der Vernachlässigung zu lindern.“
Indiz dafür, dass er es ernst meint, mag die Kritik an Lupoliansky aus dem eigenen Lager sein, er setze sich nicht ausreichend für die Bedürfnisse der Ultraorthodoxen ein. Tatsächlich erwirkte er in dem ihm seit 1993 unterstehenden Amt für Stadtentwicklung und Bau nicht viel mehr für die streng religiöse Bevölkerung als den Ausbau bestehender Wohnungen sowie den Anbau von Balkonen. Letzteres vor allem für das jüdische Laubhüttenfest, bei dem fromme Juden eine Woche lang außerhalb der eigenen vier Wände ihre Mahlzeiten einnehmen.
„Er ist anders als alle anderen ultraorthodoxen Politiker“, berichtet ein Mitarbeiter Lupolianskys. Er agiere hinter der Bühne und ginge seiner Arbeit mit Bescheidenheit nach. Parteifreunde werfen ihm Distanziertheit vor und dass er allein Rabbi Josef Schalom Elijaschiw über die Entwicklungen in seinem Amtsbereich auf dem Laufenden halte. Elijaschiw gilt als Mäzen des neuen Bürgermeisters. Er ist Chef der Partei Judentum und Thora, für die Lupoliansky seit 1989 im Rathaus sitzt.
Der Ruf des Mannes, der das Licht der Öffentlichkeit scheut, hängt Lupoliansky auch bei der Organisation „Yad Sarah“ an, die er 1976 gründete und nach seiner im Holocaust ermordeten Großmutter benannte. Von seinem kargen Gehalt als junger Rabbiner kaufte er damals gebrauchte medizinische Geräte oder Rollstühle, um sie Bedürftigen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Mit der Wiedergutmachung, die sein Vater, Holocaust-Überlebender und inzwischen pensionierter Schuster, aus Deutschland erhielt, vergrößerte er den Bestand an Geräten. David Rotner, Sprecher der „Yad Sarah“, erinnert sich, wie die Organisation „20 Jahre lang in einem Eisenbahnwaggon arbeitete“. Inzwischen sind 6.000 freiwillige Helfer in knapp einhundert Filialen der Organisation im Einsatz. Lupolianskys Wohnung ist eine davon. Es werde kein Unterschied gemacht, ob der „Hilfesuchende Jude oder Araber ist“, so Rotner.
Sein Ruf reicht dennoch nicht, um die Zweifel der weltlichen Bevölkerung zu zerstreuen. „Lupoliansky ist das Schlimmste, was Jerusalem zustoßen konnte“, kommentierte Roni Aloni, Mitglied der weltlichen Liste Jerusalem Jetzt, den Amtsbeginn des neuen Bürgermeisters. Die Sorge dreht sich nicht zuletzt um die Finanzierung von städtischen Einrichtungen, die auch am Sabbat geöffnet sind, wie Museen oder das Fußballstadium.
Lupoliansky wird zunächst acht Monate im Amt bleiben. Wenn im Oktober Kommunalwahlen abgehalten werden, muss Rabbi Elijaschiw entscheiden, ob er seinem Schützling weiterhin volle Rückendeckung geben wird für ein Amt, das ihn bisweilen zur Nichteinhaltung der Sabbat-Ruhe zwingen mag.
SUSANNE KNAUL