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Archiv-Artikel

Sauberste Wahlen der jüngsten Geschichte

Heute wählen die Armenier einen neuen Präsidenten. Der Sieg von Amtsinhaber Robert Kotscharian scheint sicher

MOSKAU taz ■ Neun Kandidaten bewerben sich heute in Armenien um den Posten des Präsidenten. Die Opposition konnte sich auf keinen gemeinsamen Herausforderer des Amtsinhabers Robert Kotscharian einigen. „Bei uns hält sich jeder für einen ganz besonders talentierten Strategen“, meint Sergei Schakarian vom Zentrum für strategische Studien in Eriwan. Kotscharian wird es daher wohl auch diesmal schaffen. Frage ist nur, ob im ersten oder zweiten Wahlgang.

Kotscharian stammt aus Nagorny Karabach, der umkämpften armenischen Exklave in Aserbaidschan. Hier brachte es der Aktivist der Sezessionsbewegung 1992 bis zum Präsidenten der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach. 1997 wechselte er als Premierminister nach Eriwan.

Im Vergleich zur Kampagne 1998 verläuft der Wahlkampf „sauber“ und ohne Exzesse. Zwar wurde Anfang Februar der Wahlkampfchef eines Konkurrenten auf einer Kundgebung niedergestochen. Doch alles in allem, meint Schakarian, „sind diese Wahlen wohl die saubersten in unserer jüngsten Geschichte“. Internationale Beobachter sind zurückhaltender. Die Sammlung von Unterschriften und persönlichen Daten, die Kotscharians Wahlstab vornehmen ließ, sei „beunruhigend“, sagte US-Botschafter John Ordway. Washington stellte eine Million Dollar zusätzlich für faire Wahlen zur Verfügung. Die OSZE organisierte 2000 transparente Wahlurnen.

Ideologische Kontroversen und Außenpolitik spielen so gut wie keine Rolle. Kotscharian wirbt mit „Stabilität“ und „Fortschritt“ und bittet „um weitere fünf Jahre, damit sich Armeniens Ansehen, Aussehen und Lebensqualität verändern können“. Wirtschaftlich hat sich im Armenhaus des Transkaukasus in den letzten Jahren indes einiges zum Besseren gewendet. 2002 lag das Wirtschaftswachstum bei 12 Prozent, nachdem es im Vorjahr knapp 10 Prozent betragen hatte. Auch die Inflationsrate 2002 mit 2 Prozent konnte sich sehen lassen. Die Nettoexportrate schoss um 48 Prozent in die Höhe und erreichte mit über 500 Millionen Dollar das beste Ergebnis seit 1991.

Der Internationale Währungsfond honorierte die Leistungen mit „stark“. Daher fällt es den Herausforderern schwer, ein zugkräftiges Wahlkampfthema zu finden – trotz Mängeln, wie etwa weit verbreiteter Korruption.

Aussichtsreichster Gegenspieler ist Stepan Demirchian. Sein größtes Verdienst ist es, Sohn des legendären Karen Demirchian zu sein. Karen war bis 1988 erster Sekretär der KP Armeniens. Mit seinem Namen verbinden die Armenier die ruhige Zeit der Stagnation, die häufig mit Stabilität verwechselt wird. Karen Demirchian kam 1999 bei einem Überfall auf das armenische Parlament ums Leben. Damit versucht Fabrikdirektor Stepan zu punkten. So behauptet er, Kotscharian sei am Attentat nicht ganz unbeteiligt gewesen.

Auch nach dem Mord am Intendanten des staatlichen TV, Tigran Naghdalian, im Dezember machten Gerüchte die Runde, der TV-Chef hätte sterben müssen, weil er kompromiiterendes Material veröffentlichen wollte – über Kotscharian.

KLAUS-HELGE DONATH