: Samthandschuh für Steuersünder
Heute wird im Bundeskabinett über Finanzminister Eichels Vorschläge zu einer Amnestie für Steuerflüchtlinge beraten. Ob die Lockmittel aber süß genug sind, ist umstritten
FREIBURG taz ■ Eine „Brücke zur Steuerehrlichkeit“ hat Hans Eichel seinen Plan genannt: Fluchtkapital soll aus dem Ausland zurückkehren und künftig wieder in Deutschland versteuert werden. Heute berät das Bundeskabinett über die Details. Die Idee selbst hatte Bundeskanzler Schröder bereits kurz vor Weihnachten veröffentlicht, um damit den Streit über die Wiedereinführung der Vermögensteuer zu beenden.
Versprochen wird ein günstiger (25-prozentiger) Steuertarif für die Zukunft, Straffreiheit für die Vergangenheit und eine begrenzte Pflicht zur Steuernachzahlung. Auch wenn jetzt immer wieder von „Amnestie“ die Rede ist, strafrechtlich soll sich wenig ändern. Schon seit Jahrzehnten gibt es die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige. Wer sich beim Finanzamt offenbart, bevor die Steuerhinterziehung entdeckt ist oder ein Prüfer vor der Tür steht, geht straflos aus.
Dennoch wird die Möglichkeit der Selbstanzeige wenig genutzt. Hauptgrund dafür ist die Pflicht, die hinterzogenen Steuern für die letzten zehn Jahre nachzuzahlen, plus 6 Prozent Zinsen für jedes Jahr. In vielen Fällen könnte die Steuernachforderung bis zu 70 Prozent des offen gelegten Kapitals auffressen. Deshalb soll nach den bisher bekannten Plänen die Steuernachzahlung bis zum Jahresende 2003 auf 25 Prozent des gemeldeten Fluchtkapitals begrenzt werden. Dieser Verzicht auf einen Teil der Steuernachforderungen war der eigentliche Anreiz der so genannten Amnestie.
Dennoch war das Echo auf Schröders Vorschlag eher verhalten. Wer würde sich dem Fiskus offenbaren, wenn anschließend die Finanzen umso gründlicher geprüft werden, um zu sehen, was noch zu finden ist, fragten viele Skeptiker. „Wenn wir eine strafbefreiende Selbstanzeige bekommen, dann prüfen wir zumindest, ob alles plausibel ist, und machen auch mal eine Stichprobe bei einer Betriebsprüfung“, erläutert Dieter Ondracek, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Im Rahmen einer großen Kapitalrückholaktion wirkte das allerdings nicht allzu einladend.
Deshalb sollen die Steuerflüchtigen im Rahmen von Eichels Plan nun doch keine „Selbstanzeige“ abgeben, sondern nur eine neu erfundene „strafbefreiende Erklärung“, bei der der Fiskus auf Nachweise des Bürgers und auf eigene Nachermittlungen ausdrücklich verzichtet. Wenn der reumütige Sünder später allerdings mit weiterem Schwarzkapital erwischt wird, kann er sich nicht auf die Strafbefreiung berufen. Dies ist, soweit bekannt, die einzige Neuerung der Kabinettsvorlage gegenüber den Plänen vom Jahresende. Große Bedeutung hat damit nach wie vor die Einführung der 25-prozentigen Abgeltungsteuer für Zinserträge. Denn die Offenlegung von Kapital löst nicht nur Rückzahlungen für die Vergangenheit, sondern auch Steuerpflichten in der Zukunft aus. Eine Garantie dafür, dass die Zinssteuer dauerhaft so niedrig bleibt, gibt es freilich nicht. Wer im Ausland die Zinsen gar nicht versteuert, fährt natürlich allemal günstiger, darf sich allerdings auch nicht erwischen lassen. Zwar ist ein von der EU geplantes Kontrollsystem noch nicht in Sicht, doch das Risiko, dass man durch Anzeigen übelwollender ExgattInnen oder entlassener MitarbeiterInnen entdeckt und bestraft wird, ist allemal hoch. CHRISTIAN RATH