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Archiv-Artikel

Ärzte wollen nicht unter Aufsicht

Auf ihrem Sonderärztetag stellen sich die Mediziner hinter CDU und CSU, weil die Union Ulla Schmidts Pläne für staatliche Qualitätskontrolle ablehnt. Grüne Sager schlägt vor, die Gratis-Mitversicherung für jüngere Ehepartner abzuschaffen

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Die organisierte Ärzteschaft hat gestern ein Bekenntnis zur Gesundheitspolitik der Union abgelegt. Auf dem außerordentlichen Ärztetag in Berlin sagte der Chef der Bundesärztekammer (BÄK), Jörg-Dietrich Hoppe, die „jüngsten Beschlüsse der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“ stimmten ihn „nicht ganz so pessimistisch“ wie die bislang vorliegenden Pläne der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Einen „spürbaren Beitrag zur Konsolidierung des Gesundheitswesens zu leisten“, lehnte Hoppe allerdings ab.

Zuvor hatte sich schon der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Manfred Richter-Reichhelm, „zu 95 Prozent“ hinter die Union gestellt. Diese hat sich darauf festgelegt, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auf 13 Prozent zu drücken. Dafür sollen Zahnbehandlungen privat abgesichert werden, Patienten einen „Selbstbehalt“ von einigen hundert Euro pro Jahr zahlen und der Arbeitgeberanteil an der Versicherung eingefroren werden.

Dass diese Forderungen zwischen BÄK und KBV durchaus noch strittig sind, wurde gestern nicht offen verhandelt. Gemeinsamer und wichtigster Gegenstand der Empörung war das von Schmidt geplante Zentrum für Qualität in der Medizin, das einen unzumutbarer Eingriff in die ärztliche Freiheit darstelle. Gleiches gelte für die „geplante Zwangsregulierung der ärztlichen Fortbildung“, erklärte Hoppe. Schmidt plane „staatliche Rationierung und Zuteilung“, wo die Ärzte für die individuelle Patientenbehandlung einstünden. Die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Angela Merkel und Wolfgang Gerhardt, stimmten zu – und bekamen herzlichen Applaus.

Zwar hatte die Gesundheitsministerin die Einladung der BÄK abgelehnt. Für sie jedoch sprach SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. Er beschränkte sich darauf zu erklären, dass die SPD „die Substanz des Sozialstaats“ retten müsse. Etwas genauer wurde Grünen-Fraktionschefin Krista Sager, die so weit ging, Streitpunkte zwischen Grünen und SPD anzudeuten. Wie Hoppe und Richter-Reichhelm befand Sager, dass zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung „versicherungsfremde Leistungen“ aus Steuern finanziert werden müssten. Dazu nannte sie „Mutterschaftsgeld und künstliche Befruchtung“. Weiterhin müssten die Kasseneinnahmen von den Arbeitslöhnen abgekoppelt und die Zahl der Beitragszahler erhöht werden. Hier schlug Sager vor, dass „für jüngere Generationen“ die Gratis-Mitversicherung für Ehepartner abgeschafft werden könnte, „wo keine Erziehungs- und Pflegeleistungen erbracht werden“. Bislang hat die SPD dies strikt abgelehnt.

Zustimmung seitens der 250 Ärztevertreter erntete Sager immer dann, wenn sie erwähnte, dass es in der Debatte bis zur Vorlage eines Reformpakets im April oder Mai „keine Tabus“ geben dürfe. Gemessen daran war jedoch die Resolution, die das „Ärzteparlament“ einmütig verabschiedete, recht zahm: Verlangt wurde etwa, die hausärztliche Versorgung auszubauen, die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu überwinden, Patienten „Transparenz“ über erbrachte Leistungen zu verschaffen und eine Positivliste der verordnungsfähigen Arzneimittel aufzustellen. All dies steht auf Schmidts Agenda.

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