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Archiv-Artikel

Alles bleibt anders

Leverkusens neuer Trainer Thomas Hörster erklärt die Champions League zur Trainingseinheit zum Kennenlernen: Bayer Leverkusen unterliegt mit ausgetauschtem Personal Newcastle United 1:3

aus Leverkusen BERND MÜLLENDER

Was war das denn gewesen? Eine Art kollektives Blind Date? Oder Bewerbungsbewegungen einer Schar Laienschauspieler am großen Boulevardtheater? Oder nur sehr mäßiger Fußball einer Zweitelf an eisigem Abend? Thomas Hörster (46), der neue Trainer des derzeit schwächsten Bundesligisten Bayer Leverkusen, hatte acht Leute aus der samstäglichen Startelf seines Vorgängers Klaus Toppmöller ersetzt. Vor einem Dreivierteljahr war die Champions League noch die große Showbühne für den Club, jetzt sind Europapokalabende der Königsklasse, so Hörster, „wertvolle Tests für mich, um Leute kennen zu lernen, und für die, um sich mir zu empfehlen“.

1:3 hatten sie verloren. Hörster versuchte seine Premiere leicht zu schönen. „Ganz in Ordnung“ sei das insgesamt gewesen, die halbe Stunde nach dem Wechsel gebe sogar „Grund zur Hoffnung“, das Team sei „sehr willig und sehr bemüht“. Der Neue ist ein freundlicher Mann ohne Krawattenkühnheiten – und der Einzige der Bayer-Führungsriege, dem die Mundwinkel derzeit nicht bis Bauchhöhe hängen. „Viele verwertbare Ansätze“ habe er durch die Totalrotation bekommen, sagte Hörster.

Ob das personalisierbar sei für das Kellerduell in Hannover am Samstag? Bei der Antwort fuhr manchem Bayer-Freund gleich doppelter Schrecken in die Glieder. „Franca war mehr als in Ordnung.“ Das Lob für den brasilianischen Zappelphilipp hatte Hörster recht exklusiv. Und er sagte über einen der Pausierenden: „Von Zivkovic als Manndecker bin ich überzeugt.“ Wegen Zivkovic haben manche in Leverkusen schon wunde Lippen vom Auspfeifen.

Die Ersatzelf half Hörsters Debut genauso wie Versöhnungshalbzeit zwei. Rückschlüsse auf eine ausbleibende Trotzreaktion waren so nicht möglich. Dennoch: Obwohl er vorher Aufbegehren, Kampf, Leidenschaft und vor allem Disziplin gefordert hatte, war „die fehlende Aggressivität am Anfang, als die Engländer uns vorgeführt haben“, schon erschreckend: „Für mich unerklärlich.“ Trotzdem sei die Stimmung im Kader gut: Das Team habe ihn „gut bis sehr gut aufgenommen“. Also: ganz in Ordnung.

Die Wende zum Besseren hat ohnehin Zeit bis Samstag. „Der Existenzkampf“, so Hörster, „hat klare Priorität.“ Das sagen bei Bayer derzeit alle. Und was manche Spieler so alles nicht können, wusste man schon vorher. Jan Simak zum Beispiel agierte nicht einen Zweikampf engagierter als zuvor. Neben dem weiter entformten Neuville war Wintereinkauf Cris der einzig verbliebene Feldspieler von Samstag. Seine beiden Schlafmützigkeiten bestrafte Englands U-21-Spieler Shola Ameobi bis Minute 16 zweimal eiskalt. Mit Toppi waren die Niederlagen wenigstens knapper, galgenhumorte es zur drohenden Demütigung durch die Arena. Dann kam für Cris ein Mann namens Jan-Ingwer Callsen-Bracker als Abwehrchef. Ein Hänfling von 18 Jahren. Halbdäne. Regionalligaspieler. Und machte seine Sache souverän. Hörsters Hoffnungsträger für irgendwann – egal in welcher Liga.

Dennoch: Bislang bleibt alles, nur anders. Immerhin pfiffen die Fans nicht. Hatten die erneute Niederlage (zehnte Heimpleite in sechs Monaten) schweigend hingenommen, ähnlich regungslos wie der Neue auf dem Bänklein, der allerhand notierte, als wolle er Ewald Lienens Brieffreund werden. Die gut 20.000 gequälten Dauerkartenbesitzer hatten der kleinen englischen Fanschaft mit ihren durch viel geistiges Getränk tiefer gelegten Bassgesängen die Akustik überlassen und waren schließlich, lange vor dem Ende, mit staatstragend ernsten Gesichtern nach Hause gestiefelt.

Noch sorgenvoller wären die Minen gewesen, hätten sie gewusst, was die Trainer alles nicht wussten. Nicht nur Newcastles Geburtstagskind Sir Bobby Robson (70), dem Bayers „big tall boy auf der linken Seite“ so gefallen hatte: „Den kannten wir vorher nicht.“ Robson meinte Nationalspieler Thomas Brdaric. Noch verwunderlicher waren die Wissenslücken beim Gastgeber. Thomas Hörster sagte: „Ich kenne die Jungs ja nicht so gut.“ Dabei arbeitet er als Amateurtrainer fast seit Erfindung der Aspirintablette bei Bayer.