■ Eldad Beck warf der Friedensbewegung Blindheit vor. LeserInnen wehren sich
: Gegen das Recht des Stärkeren

betr.: „Auf zur Demo!“, taz vom 15./16. 2. 2003

Über den Einwand von Eldad Beck gegen die Demos gegen den Irakkrieg habe ich mich ziemlich geärgert! Ich habe nicht gegen die USA und für den Irak demonstriert, sondern gegen die Absicht der USA, den Irak militärisch anzugreifen und überhaupt Krieg als Mittel der Politik anzuwenden.

Natürlich waren auch mir all diejenigen ein Dorn im Auge, die die Demo als Plattform für ihre diversen, meinen Vorstellungen zum Teil zuwiderlaufenden Ziele genutzt haben. Und natürlich hätte auch ich gerne weltweit Demokratien, die globale Durchsetzung der Menschenrechte und eine nachhaltige Entwicklung. Aber der Friedensbewegung vorzuwerfen, sie mache sich zum Handlanger von Hussein und Co., weil sie durch ihre Position gegen die USA das Terrorregime im Irak unterstütze, und nicht konsequent zu sein, weil sie nicht gegen all das andere Unrecht in der Welt demonstriere, ist schon reichlich krude und wohlfeil.

Mit meiner Teilnahme an derartigen Aktionen wende ich mich grundsätzlich gegen eine Politik, die sich aus machtpolitischen Gründen in die Politik anderer Länder einmischt. Das betrifft nicht nur das Führen von Kriegen, sondern jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, zumal sich in der Vergangenheit gezeigt hat, wohin das führt: in Chile, in Vietnam, in Afghanistan, in Tschetschenien. Gegen diese Politik demonstriere ich, sooft es geht. STEPHANIE GÜNTHER, Freiburg

Sie nennen viele Situationen, die neben dem drohenden Irakkrieg in der Tat die Aufmerksamkeit von Demonstranten verdienen sollten: nuklearer Wahnsinn in Nordkorea, religiöse Intoleranz in zahlreichen arabischen Ländern, Selbstmordattentate gegen die israelische Zivilbevölkerung. Erlauben Sie mir jedoch, Ihrer berechtigten Aufstellung eine Sache hinzuzufügen: die israelische Besetzung der Palästinensergebiete, deren Ende von zahlreichen unerfüllten UN-Resolutionen gefordert wird. Außerdem wären da noch die Demokratiedefizite in Teilen Südostasiens.

Sie sehen, eine solche Liste wäre wohl nie vollständig. Es wird deshalb einer so vielschichtigen Bewegung nicht gerecht zu fordern, sie müsse erst all diese Brennpunkte angemessen berücksichtigen, bevor sie ihre Kernaussage verkünden dürfe.

Sie sagen, die USA glaube, ein Regimewechsel in Bagdad würde eine Demokratisierung der arabischen Welt auslösen. Es ist in der Tat eine Glaubenssache, die konkreter Argumente bedürfte. Diese bleiben Sie Ihren Lesern schuldig. Wo finden sich denn ausgeprägte demokratische Dissidentenbewegungen, die nur darauf warten, Demokratien aufzubauen? Der INC aus dem britischen Exil dürfte bei den meisten Irakern wenig Rückhalt haben, wenn sie ihn überhaupt kennen. Von Anrainerstaaten gar nicht zu reden.

Die Bewegung wehrt sich dagegen, einer Argumentation wie der Ihren zu folgen, nach der das einzige vernünftige Mittel gegen Saddam ein Militärschlag sein soll und dieser Militärschlag deshalb auch das einzige vernünftige Mittel für die Menschen im Irak sein muss. STEFAN IHRINGER, Unterhaching

Wenn ich gestern zur Demo gegangen bin, dann kämpfe ich nicht gegen die USA. Und noch viel weniger kämpfe ich für den Irak! Ich halte es vielmehr für richtig, die Bevölkerung dieser Region in ihren Bemühungen um Demokratie zu unterstützen, die ihnen von den jeweils herrschenden Regimes verweigert werden.

Der besondere Aufschrei, der heute nötig ist, gilt jedoch der Gefahr, die darin liegt, dass die aus den Erfahrungen der Weltkriege hervorgegangenen politischen Prinzipien, die auf die Ächtung von Gewalt bei der Lösung internationaler Interessenskonflikte abzielten, heute von den Verfechtern der Demokratie selbst nicht mehr geachtet werden. Ich sehe einen eklatanten Widerspruch in dem Vorgehen der derzeitigen US-Regierung zu demokratischen Prinzipien und internationalen Abkommen, weil sie nicht bereit ist, ihren eigenen politischen Willen dem der Staatengemeinschaft unterzuordnen und so das Recht des Stärkeren vertritt. Wenn ich Gewalt verurteile, dann generell: in Tschetschenien wie im Sudan, die Gewalt von Palästinensern ebenso wie die israelischer Siedler oder Soldaten. DAG SCHUMANN, Bayreuth

Aufgrund meines langjährigen Engagements im Rahmen der deutsch-israelischen Jugend- und StudentInnenbegegnung ist mir der Nahe Osten und insbesondere das Schicksal der Menschen in Israel und Palästina zu einer Herzenssache geworden.

Ihr Vorwurf, die Friedensbewegung sei blind für den politischen Terror im Nahen Osten, ist unzutreffend. Gerade viele der Menschen, die sich im Rahmen von NGOs für eine friedliche Zukunft in der Nahostregion engagieren, versuchen den Teufelskreis von Terror und Gewalt zu durchbrechen. Dazu gehören die Deutsch-Israelische Gesellschaft, der Deutsch-Israelische Arbeitskreis, die Freunde und Förderer von bildungs- und friedenspolitischen Einrichtungen. In Zeiten von Säbelrasseln, radikalislamistischem Terror gegen (jüdische und arabische) Israelis, fundamentalistischen Führern, die auf ihre Chance der Machtergreifung hoffen, rechtsextremen Siedlern, Landenteignung, extremistischen Politikern mit „Transfer“-Gelüsten bezüglich palästinensischer Minderheiten, Truppenaufmarsch und Planung von völkerrechtswidrigem – ja: völkerrechtswidrigem – Krieg, wird die Arbeit dieser Menschen diskreditiert! Ich persönlich bevorzuge eine – gerne auf lange Jahre angelegte – Entwaffnung des irakischen Regimes und die Schaffung und Förderung von NGOs in diesem Land. Auch weil ich nicht erneut Freunde in Israel mit der Angst vor Giftgas konfrontiert und mit abgeklebten Fenstern und Türen sehen möchte. Und weil ich nicht möchte, dass palästinensische Freunde erneut zwischen die Mühlen der korrupten Regierungskaste und der fundamentalistischen Extremisten geraten und jede Chance einer Demokratisierung der palästinensischen Gesellschaft zerstört wird. LUCIANO BECHT, Wiesbaden

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.