: Kampf gegen „harte Zückerchen“
Ausschuss für Entwicklungspolitik formiert sich neu. Agrar und Tobin-Tax auf der Agenda
BERLIN taz ■ Einen „Quasselausschuss“ hatte der CDU-Entwicklungspolitiker Peter Weiß am Ende der vergangenen Legislaturperiode den Bundestagsausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) genannt. Andere machten überkommene Brunnenbohrermentalität und Gutmenschentum aus. Sogar Abgeordnete aus den Regierungsreihen äußerten Zweifel an der Effizienz der AWZ-Arbeit; von Frustration und Demotivation war die Rede.
Jetzt hat das Gremium seine Arbeit wieder aufgenommen. Alte Namen sind verschwunden, neue hinzugekommen. Sogar Exarbeitsminister Walter Riester will seine Polit- und Gewerkschaftskenntnisse für die Entwicklungsarbeit nutzbar machen. An Herausforderungen fehlt es nicht. Ob Entschuldungsfragen, Abbau der Agrarsubventionen oder Konfliktprävention, die AWZ-Mitglieder müssen Standing zeigen, wollen sie im Tête-à-Tête mit dem Auswärtigen Ausschuss, dem Finanz-, dem Wirtschaftsausschuss oder dem Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ihre Sache voranbringen. Die Mitglieder wissen: Geschlossenheit erhöht die Schlagkraft. Nur – wird sie auch gelingen? „Uns ist es ein Anliegen, dass sich wenigstens die Entwicklungspolitik vom ansonsten tieftraurigen Bild rot-grüner Regierungspolitik abhebt“, sagte der entwicklungspolitische Sprecher der Union im Ausschuss, Christian Ruck (CSU), kaum dass die Neukonstituierung des Ausschusses über die Bühne gegangen war. Ruck vermisst „Kohärenz“, will aber die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wieder stärker bilateral statt multilateral ausgerichtet sehen. Diese Absicht dürfte allen Weichenstellungen rot-grüner Entwicklungspolitik zuwiderlaufen.
Karin Kortmann (SPD), Sprecherin der stärksten Fraktionsgruppe im Ausschuss, hofft dennoch auf Schulterschluss, „möglichst über die Fraktionsgrenzen hinweg“. Gegenüber Kabinett und Ministerien gelte es, „nicht nur alles abzunicken“, sondern in Ausschuss und Fraktion die eigenen Vorstellungen herauszuarbeiten und sie im Parlament zu vertreten. Dabei habe man zum Beispiel in der Frage, Hermes-Bürgschaften endlich an entwicklungspolitische Belange zu binden, im Wirtschaftsausschuss „ein hartes Zückerchen“ vor sich. Auch Thilo Hoppe (Grüne) will die entwicklungspolitische Kohärenz über die Ressortgrenzen hinaus verstärken. Der Abbau der Agrarsubventionen, sagt er, „darf nicht im Agrarausschuss gebremst werden“. Sogar die Einführung einer Tobin-Steuer, die auf spekulative Devisentransaktionen zum geldwerten Nutzen der Entwicklungspolitik erhoben würde, will er dem Finanzausschuss abringen.
Markus Löning, dem neuen entwicklungspolitischen Sprecher der Liberalen, reicht indes das Ziel, die Entwicklungspolitik in der eigenen Fraktion überhaupt „wieder auf die Tagesordnung“ zu bringen. In seiner Partei gilt schließlich, dass Wirtschaftswachstum die beste Entwicklungspolitik sei. Wiederholt hatten FDP-Politiker in der Vergangenheit erklärt, BMZ und AWZ seien überflüssig, die Entwicklungspolitik im Auswärtigen Amt allemal besser aufgehoben. Und auf der Homepage der FDP-Fraktion kommt der Begriff Entwicklungspolitik im Suchregister erst gar nicht vor.
JOHANNES SCHRADI