: Vollbeschäftigung in der Gerüchteküche
Der Führungsstil von Arbeitsämter-Chef Gerster sorgt für Aufsehen. Dabei geht es doch eigentlich um die Arbeitslosen
BERLIN taz ■ Die Erwerbslosen bieten zwar zur Zeit keinen Anlass zur erfreulichen Berichterstattung. Aber immerhin liefert der Chef der Arbeitsämter, Florian Gerster, immer wieder Stoff für ein bisschen Drama. Gestern musste er sich erneut gegen Berichte über seinen Führungsstil zur Wehr setzen. Dabei wollte er doch eigentlich nur sein neues Buch vorstellen, Titel: „Arbeit ist für alle da“.
Der Berliner Tagesspiegel hatte einen „Machtkampf um die Arbeitsämter“ ausgemacht. Fünf von zehn Präsidenten der Landesarbeitsämter müssten nach dem Willen Gersters gehen, hieß es. Und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), seien zerstritten. Vor einigen Monaten hatte der Spiegel gemeldet, Bundeskanzler Gerhard Schröder sei verärgert über den BA-Chef, weil dieser des Kanzlers Reformpläne kritisiert hatte.
Gerster blieb gestern jedoch gelassen. Die fünf genannten Chefs der Landesarbeitsämter seien „lebensältere“ Personen, die ohnehin in den Ruhestand gegangen wären, sagte er. Tatsächlich haben zwei von ihnen schon vor Jahren Altersteilzeit beantragt. Einer ist nicht geschasst, sondern befördert worden. Und die zwei anderen sind 64 Jahre alt. Zu wenig Stoff also für einen heftig tobenden Machtkampf innerhalb der BA.
Interessanter sind die Veränderungen für die Arbeitslosen, die sich ohne großes Medientamtam vollziehen. Gerster räumte gestern ein, dass es ein „schärferes Controlling“ der Arbeitsämter gebe. Bei der Zuweisung von Maßnahmen oder Kursen achteten die Mitarbeiter jetzt mehr darauf, dass sie „die Arbeitslosigkeit beenden und nicht nur unterbrechen“. Deswegen würden sich die Mitarbeiter vor allem „für die engagieren, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt hoch ist“. Dies seien eher Arbeitslose, die noch nicht so lange ohne Job sind, als die Langzeitarbeitslosen. „Das Ergebnis zählt“, betonte Gerster.
In diesem Jahr stehen den Arbeitsämtern 13,5 Milliarden Euro für Arbeitmarktpolitik zur Verfügung, rund 800 Millionen Euro weniger als im Jahr 2002. Besonders bei den Bildungsmaßnahmen wird gekürzt. Wie ein Mitarbeiter der BA sagte, werden Kurse heute stärker nach deren Effektivität beurteilt. 70 Prozent der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, so die Quote, sollen danach nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Erst dann gilt die Maßnahme als erfolgreich und wird weiter vom Arbeitsamt gefördert.
Besonders in Ostdeutschland leiden die Arbeitslosen unter den strengeren Auflagen. Denn in wirtschaftsschwachen Regionen münden nur wenige Teilnehmer nach ABM oder Weiterbildung in einen „ersten Arbeitsmarkt“ ein.
Gerster erklärte gestern, trotz der Einschränkungen hätten die Arbeitsämter im Osten mehr Geld für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung als die im Westen. Im thüringischen Suhl beispielsweise würde immer noch doppelt so viel für Arbeitsmarktpolitk ausgegeben wie im vergleichbaren Duisburg.
BARBARA DRIBBUSCH
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