: Der Fahrplan zum Krieg
Die USA und Großbritannien wollen ab 15. März gegen den Irak losschlagen können. Eine neue Resolution soll Zustimmung im Sicherheitsrat erleichtern
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Die Regierungen der USA und Großbritanniens halten an ihrem Fahrplan für einen Irakkrieg fest – scheinbar unbeirrt von den weltweiten Protesten und ihrer Isolation innerhalb der UNO. Spätestens ab dem 15. März wollen Washington und London jederzeit gegen militärisch gegen Bagdad vorgehen können, vorzugsweise mit, notfalls aber auch ohne Ermächtigung oder zumindest Tolerierung durch den UNO-Sicherheitsrat. Darauf deuten sowohl öffentliche Erklärungen von US-Präsident George Bush und Premierminister Tony Blair als auch die intensiven diplomatischen Bemühungen beider Regierungen hinter den Kulissen hin.
Die neue Irakresolution, deren Entwurf die beiden UNO-Botschafter John Negroponte und Jeremy Greenstock Ende dieser Woche, spätestens Anfang nächster Woche in New York vorlegen wollen, soll dazu dienen, einem Krieg zumindest den Schein einer Absegnung durch die UNO zu verleihen. Darauf ist vor allem die Regierung Blair angewiesen wegen des massiven innenpolitischen Widerstandes in Großbritannien. Die Resolution wird Bagdad zunächst fortgesetzte „schwere Verstöße“ gegen die Abrüstungsauflagen der UNO vorhalten und dann die bereits in der Resolution 1441 von November letzten Jahres ausgesprochene Drohung mit „schweren Konsequenzen“ wiederholen. Dann wird Bagdad ein spätestens auf den 15. März befristetes Ultimatum gesetzt zur nachweislichen vollständigen Erfüllung aller noch unerfüllten Auflagen.
Diskutiert wird zwischen Washington und London derzeit noch, ob Bagdad zusätzlich zu dem Ultimatum Zwischenfristen gesetzt werden sollen zur Erfüllung konkret benannter Auflagen. Gedacht wird an die Zerstörung der 350 Al-Samoud-2-Rakten mit verbotenen Reichweiten von über 150 Kilometern oder die Zulassung einer Mindestzahl von Interviews mit irakischen Rüstungswissenschaftlern ohne Anwesenheit staatlicher Vertreter.
Die Erfüllung sämtlicher Abrüstungsauflagen muss von den UNO-Chefinspekteuren Hans Blix und Mohammed al-Baradei ausdrücklich bestätigt werden. Letzte Gelegenheit wäre nach dem amerikanisch-britischen Fahrplan ein vierter Bericht der Chefinspekteure vor dem Sicherheitsrat am 14. März, einen Tag vor Ultimatumsablauf. (Der dritte Bericht soll am 28. Februar oder 1. März erfolgen.) US- und britische Diplomaten gehen fest davon aus, dass Blix und Barradei am 14. März „unter gar keinen Umständen“ ein „clean sheet“ vorlegen und Bagdad die vollständige Erfüllung aller Auflagen bescheinigen werden. Entsprechende Zusicherungen liegen der Bush-Administration nach Angaben aus diplomatischen Kreisen zumindest von Blix bereits seit Januar vor. Die Inspektionen sollen nach den amerikanisch-britischen Vorstellungen bis zum 14. März weiterlaufen.
Dieses „Zugeständnis“ sowie der Verzicht auf eine ausdrückliche Autorisierung militärischer Maßnahmen soll es den bisher kriegsskeptischen ständigen Ratsmitgliedern Frankreich, Russland und China ermöglichen, die Ultimatumsresolution nicht durch ein Veto zu blockieren und sich bei der Abstimmung höchstens zu enthalten. Ein entsprechendes Verhalten der drei Staaten ließen Signale erwarten, die Washington und London aus Paris, Moskau und Peking erhalten haben. Die Verabschiedung einer Resolution im Sicherheitsrat erfordert mindestens neun Jastimmen. Die USA und Großbritannien setzten darauf, sieben Stimmmen unter den zehn nichtständigen Mitgliedern zu finden. Die Stimmen Spaniens und Bulgariens gelten Washington und London bereits als sicher. Die anderen fünf Kandidaten, um die sich die USA und Großbritannien derzeit mit dem Zuckerbrot wirtschaftlicher Versprechungen und der Drohung mit entsprechenden Nachteilen bemühen, sind die drei afrikanischen Ratsstaaten Angola, Guinea und Kamerun sowie Chile und Mexiko. Auch Pakistan steht unter erheblichem Druck, mit Ja zu stimmen.
Deutschland und Syrien spielen im Mehrheitsbeschaffungs-Kalkül Washingtons und Londons keine Rolle mehr. Eine Neinstimme beider Länder wäre – weil sie nicht über das Vetorecht verfügen – ebenso folgenlos wie eine Enthaltung. Sollten sie letzten Endes doch mit Ja stimmen – womit im Fall Deutschlands in Washington und London gerechnet wird, „nachdem Frankreich seine derzeitige Position aufgegeben hat“ –, würde das zu einer komfortableren Mehrheit von zehn oder elf Jastimmen führen. In Washington wird die Zustimmung der Bundesregierung zu der EU-Gipfelerklärung, in der ein Krieg als letzte Maßnahme nicht ausgeschlossen wird, als Beginn einer Kurskorrektur Deutschlands gewertet.
Sollten die USA und Großbritannien mit ihrem Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat scheitern, wollen sie den Krieg unilateral führen mit der Rechtfertigung, die UNO sei ihrer Verantwortung nicht nachgekommen und habe sich aus den Verpflichtungen der Resolution 1441 gestohlen.
Der amerikanisch-britische Fahrplan gilt unbeirrt von der zweitägigen Generaldebatte im Sicherheitsrat, bei der sich unter 61 Teilnehmern lediglich eine Hand voll für die Haltung Washingtons und Londons aussprach. Präsident Bush hatte am Dienstag bereits mit Blick auf die weltweiten Antikriegsdemonstrationen deutlich gemacht, das ihn eine mehrheitliche Ablehnung seiner Kriegspläne nicht von der Umsetzung abhalten werde. Premierminister Blair erklärte, die starken Proteste in seinem Land hätten „keine Auswirkung“ auf seine „enge Allianz mit den USA in der Irakfrage“.