„Mit einem Ofen ist nicht alles aus“

Betriebsversammlung der Bremer Stahlwerke: Der Arcelor-Chef erklärt, dass die Verluste der Hütte für den Konzern „langfristig nicht tragbar“ sind. Proteste gegen den Weltmarktführer scheinen zwecklos: Auch der Betriebsrat will die Hütte „fit machen“

taz ■ Brechend voll war es gestern im „Pier2“. Bremens Stahlarbeiter wollten aus erster Hand erfahren, was sie längst wissen: Nur ein Hochofen soll bleiben in Bremen. Arcelor, der Konzern, baut unrentable Kapazitäten ab. „Dieser Konzern produziert nicht nur Stahl, er hat auch eine soziale Verantwortung“, beschwor der Betriebsratsvorsitzende Michael Breidbach den anwesenden Direktor für Flachstahl des Arcelor-Konzerns, den Spanier Guillermo Ulacia. Der schien diese Sprache allerdings nicht zu verstehen. „Ich glaube an die Kommunikation, um gemeinsam Ziele zu erreichen“, wurden seine Worte übersetzt, und dann zählte er die Verluste auf, die die Bremer Hütte in den letzten Jahren produziert hat.

Im Sommer 2002 hätte das Aus drohen können, bekannte der Chef der Bremer Hütte, der Belgier Alphonse Schoder – wenn der Arcelor-Konzern nicht mit seiner neuen Strategie, die Mengen zu reduzieren, für einen Preisauftrieb gesorgt hätte. Nun müsse die Bremer Hütte auch „die notwendigen Konzernentscheidungen mittragen“, beschwor Schoder die Belegschaft. Die Stahlarbeiter, für die diese Beschreibung der Lage nicht neu war, hörten nachdenklich zu.

Die Verluste der Bremer Hütte seien „langfristig nicht tragbar“, erklärte Arcelor-Vorstand Ulacia der Belegschaft. Ohne das FIT-Programm des Bremer Hüttenvorstandes, nach dem jeder dritte Arbeitsplatz abgebaut werden soll, „macht es keinen Sinn, diesen Standort aufrecht zu erhalten“. Keine Pfiffe, die Stahlarbeiter kennen das. Sie kennen auch die Begründung: Die Ergebnisse ihrer Hütte sind schlechter als die von anderen Anlagen der Gruppe. Es gibt logistische Probleme, höhere Personalkosten, höhere Energiekosten aufgrund der fehlenden Kokerei.

Die Arbed-Gruppe hatte die Strategie verfolgt, die Mengen zu erhöhen, um andere auf dem Weltmarkt zu verdrängen. Aus ARbed, ACEraLia und UsinOR wurde dann im Jahre 2002 „Arcelor“, der größte Stahlkonzern der Welt mit 110.000 Mitarbeitern und einer jährlichen Rohstahlproduktion von rund 43,1 Millionen Tonnen. Der Gigant macht den Markt: Arcelor kann die Mengen reduzieren und damit den Preis nach oben treiben. Das rettete die Bremer Hütte über das Jahr 2002.

Der Preis: Auch Bremen muss seine Kapazitäten weiter reduzieren. Für den Weltkonzern ist die Bremer Hütte ein kleiner Bauer. Arcelor leitete seine Strategie aus einem „Apollo-Gutachten“ her, aber dieses Gutachten wurde dem Bremer Aufsichtsrat bisher nicht einmal gezeigt. Auch der Bremer Bürgermeister, der immerhin die 30 Prozent staatlicher Gesellschafteranteile an der Hütte repräsentiert, hat das Gutachten bisher nicht bekommen, beklagte ein Betriebsrat. Die Bremer Stahlarbeiter schienen zu verstehen: Auch ihre Bremer Chefs sind kleine Figuren im Spiel des internationalen Konzerns.

Vier Millionen Tonnen Stahl pro Jahr war vor wenigen Jahren die Parole, auf 2,5 Millionen Tonnen soll nun gedrosselt werden, verkündet Ulacia. „Sie werden weniger produzieren, aber dies wirtschaftlich“. Und dann werde es auch „nach Apollo“ eine „glänzende Zukunft“ für die Hütte geben – „Arcelor und ich persönlich glauben daran“. Ein wenig Beifall der Belegschaft gab es, die meisten nahmen es wie ein Urteil hin. Der Betriebsrat beteuerte, dass er „Kündigungen nicht dulden“ will, ansonsten aber natürlich kooperiert, wenn „die Hütte fitt gemacht werden soll.

Der Bremer Stahlwerke-Chef versicherte, es sei keine wesentliche Änderung der Strategie, wenn der Arcelor-Verwaltungsrat beschlossen habe, dass die Bremer Hütte ihren zweiten Hochofen am Ende von dessen Laufzeit nicht erneuern darf. „Mit einem Ofen ist nicht alles vorbei“, machte Schoder Mut, der verbleibende Hochofen „hat noch eine lange Lebensdauer“. Bremen habe eben ein „Handikap im Vergleich zu den besten Arcelor-Anlagen“. Und: In der „heutigen Zeit gibt es für nichts und nirgends eine hundertprozentige Garantie“.

Klaus Wolschner