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Archiv-Artikel

Islamprofessor an der Uni Münster muss umziehen

Der Theologe Kalisch zweifelt an der Existenz des Propheten. Aus Sicherheitsgründen zieht sein Institut um

BERLIN taz ■ Zuerst wurde das Schild am Eingang entfernt, doch das reicht nicht. Jetzt muss der Islamprofessor Muhammad Sven Kalisch mit seinen Mitarbeitern in ein anderes Gebäude der Universität Münster ziehen. „Es gibt keine konkreten Bedrohungen, aber in Absprache mit der Polizei ziehen wir in ein neues Gebäude um, das besser zu schützen ist“, sagte Kalisch.

Der Professor, der seit 2004 den ersten Lehrstuhl für „Religion des Islams“ an einer deutschen Universität innehat und bislang Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausbildete, fühlt sich der historisch-kritischen Forschung verpflichtet – und zweifelt die historische Existenz des Propheten Mohammed an: „Man kann weder die Existenz noch die Nichtexistenz beweisen – aber ich tendiere zur Nichtexistenz.“ Seitdem der 42-Jährige dies öffentlich kundtat, kritisiert der Koordinierungsrat der Muslime ihn.

Der Koordinierungsrat, zu dem sich die vier großen konservativen muslimischen Dachverbände zusammengeschlossen haben, kündigte die Mitarbeit im Beirat von Kalischs „Centrum für religiöse Studien“ auf und rät muslimischen Studierenden davon ab, sich für den Münsteraner Studiengang einzuschreiben. In Absprache mit dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zog die Universität Kalisch daraufhin von der Lehrerausbildung ab. Am Centrum soll im Wintersemester eine zweite Professur besetzt werden, die dann die Ausbildung der Religionslehrer übernehmen soll.

Kalisch, der mit 15 zum Islam konvertierte und der kleinen schiitischen Strömung der Zaiditen angehört, versteht sich weiterhin als Muslim – doch für manche Fundamentalisten gilt er nicht mehr als solcher. Aufmerksam verfolgt der Islamprofessor die Diskussion über ihn im Internet und auch in einigen Medien wie der türkischen Zeitung Zaman, in der er plötzlich nicht mehr als Muhammad, sondern nur noch als Sven Kalisch bezeichnet wird. Der Subtext ist eindeutig: Dieser Mann ist kein Muslim mehr. Auf den Glaubensabfall steht in der konservativen Scharia-Auslegung die Todesstrafe.

Morddrohungen bekommen hat der Professor noch nicht. „Aber vielleicht wird ja doch darauf spekuliert, dass irgendein Depp das in die Hand nimmt“, sagte Kalisch. Er steht in regem Austausch mit dem Staatsschutz. Nach einer Beratung durch die Polizeibeamten entschied sich die Universität für den Umzug.

Unterdessen hat am Montag an Kalischs Centrum eine Ringvorlesung begonnen, die unter dem Titel „Geschichte oder Mythos?“ die drei monotheistischen Religionen unter die Lupe nehmen soll. Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern sollen, so heißt es in der Einladung, der Frage nachgehen, „ob die religiösen Texte Aufschluss über eine reale Historie geben oder ob sie nicht größtenteils (oder vollkommen) theologische Fiktion zur Versorgung mit Heilsgeschichte und Mythologie sind“. Kalisch wird im Januar über „die Frage nach dem historischen Muhammad“ referieren.SABINE AM ORDE

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